Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
sollen sagen, was sie wollen, meine Schuld ist's nicht. Bin ich etwa schlecht? Ich gebe alles her, was ich habe; ich könnte keine Fliege ums Leben bringen. Sie sind es ja, sie sind es ... Ich wollte ihnen niemals unangenehm sein, sie haben sich an meine Röcke gehängt, und heute jammern sie und heulen sie und spielen alle die Verzweifelten ...
    Nun blieb sie vor Labordette stehen, schlug ihm kräftig auf die Schulter und rief:
    Laß hören, sag' die Wahrheit, du warst ja immer zugegen ... Habe ich sie etwa dahin getrieben, wohin sie gingen? Hat sich nicht immer ein Dutzend von ihnen vor mir im Staube gewälzt und einer den andern an Schändlichkeit zu überbieten gesucht? Sie haben mir Ekel eingeflößt, ich mußte mich oft bezwingen, um ihnen nicht zu folgen, ich hatte Furcht ... Es genüge dir als Beispiel, daß sie mich alle heiraten wollten. Ein sauberer Gedanke, wie? Ja, mein Lieber, ich hätte zwanzigmal Gräfin oder Baronin werden können, wenn ich hätte einwilligen wollen. Ich habe es zurückgewiesen, weil ich vernünftig war, ja, ich habe sie oft verhindert, Schmutzereien und Verbrechen zu begehen; sie hätten mir zuliebe gestohlen, Vater und Mutter getötet, ich hätte nur ein Wort zu sagen gebraucht, ich habe dieses Wort nicht gesagt ... Heute siehst du, wie ich belohnt werde. Es ist geradeso wie mit diesem Daguenet. Ich habe diesen Hungerleider verheiratet, nachdem ich ihn wochenlang unentgeltlich gefüttert; ich habe ihm zu einer Stellung verholfen. Und als ich ihm gestern begegnete, wandte er den Kopf fort. Ist das ein Schwein. Ich bin sicherlich weniger schmutzig als er ...
    Sie ging im Zimmer auf und ab, schlug mit der Faust heftig auf ein Möbelstück und rief:
    Herrgott, das ist nicht gerecht, die Gesellschaft ist nicht, wie sie sein soll. Man fällt über die Frauen her, und doch sind es die Männer, die immerfort fordern und Sachen fordern ...! Ich kann es dir ja sagen: wenn ich ihren Willen tat, so machte mir das kein Vergnügen, nicht das geringste Vergnügen; im Gegenteil, stets Widerwillen und Verdruß ... Ich frage dich nun: trifft mich eine Schuld in dieser Sache? Jawohl, sie sind es, die mich ruiniert haben. Ohne sie und ohne das, was sie aus mir gemacht haben, wäre ich jetzt in einem Kloster, um den lieben Gott um Verzeihung zu bitten, denn ich war immer sehr fromm ... Und wenn sie ihr Geld und ihre Haut dabei gelassen haben, so sind sie nur selbst schuld daran, ich nicht im geringsten.
    Gewiß, sagte Labordette überzeugt.
    Jetzt führte Zoé Mignon herein. Nana empfing ihn lächelnd. Sie hatte geweint; jetzt war es vorüber.
    Mignon, noch immer entzückt über das, was er gesehen, drückte Nana seine Bewunderung über ihre Behausung aus. Doch sie ließ ihm merken, daß sie ihr Haus satt habe; sie träume jetzt von anderen Dingen, es dürfe ein Tag kommen, an dem sie alles mit Sack und Pack verschleudern werde.
    Um für seinen Besuch einen Vorwand anzugeben, erzählte Mignon ihr, er sei in Angelegenheit einer Wohltätigkeitsvorstellung zugunsten des alten Bosc gekommen, der, vom Schlage gerührt, regungslos in seinem Sessel liege. Sie war sehr gerührt und nahm zwei Logen. Indessen erinnerte Zoé Madame, daß der Wagen warte, und Nana nahm ihren Hut. Während sie ihre Hutschleife festband, erzählte sie die Geschichte dieser armen Satin, dann fügte sie hinzu:
    Ich fahre ins Spital; niemand hat mich so sehr geliebt wie sie. Mit vollem Recht beschuldigt man die Männer, daß sie kein Herz haben ... Wer weiß; vielleicht werde ich sie gar nicht mehr am Leben finden. Macht nichts, ich werde doch verlangen, sie zu sehen, ich will sie noch einmal küssen.
    Labordette und Mignon lächelte. Sie war nicht mehr traurig, und auch sie lächelte, denn die beiden zählten nichts. Sie konnten glauben, was sie wollten, das störte sie nicht. Während sie ihre Handschuhe zuknöpfte, verharrten die beiden Herren in stiller Verwunderung. Sie war allein aufrecht geblieben inmitten der in ihrem Haus aufgehäuften Reichtümer, zu ihren Füßen lagen Männer, die sie vernichtet hatte. Wie jene Ungeheuer des Altertums, deren gefürchtetes Gebiet mit Knochen besetzt war, setzte sie den Fuß auf menschliche Schädel. Sie war vom Verderben umgeben; dem Brand, in dem Vandeuvres umgekommen, dem Trübsinn Foucarmonts, der in den fernen chinesischen Gewässern umherschiffte, dem Unglück Steiners, der jetzt genötigt war, als ehrlicher Mensch sein Leben zu fristen, dem befriedigten Blödsinn La Faloises, dem

Weitere Kostenlose Bücher