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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Schläfe. Er verlor allen Halt bei diesem Frauenduft, den er hier unter der niedrigen Zimmerdecke verzehnfacht wiederfand, und er mußte sich auf den Diwan setzen, der zwischen den beiden Fenstern stand. Aber er erhob sich bald wieder, kehrte an den Toilettetisch zurück und blickte starr ins Leere. Er erinnerte sich, daß er einst in einem Zimmer, wo ein Strauß welker Tuberosen stand, fast erstickt war. Wenn die Tuberosen welken, verbreiten sie einen Menschenduft.
    Eile dich! flüsterte Bordenave, indem er den Kopf hinter den Vorhang steckte.
    Inzwischen hörte der Prinz mit Wohlgefallen dem Marquis Chouard zu, der von der Toilette die Hasenpfote genommen und Seiner Hoheit erklärte, wie damit die weiße Schminke aufgelegt wird. In einem Winkel stand Satin mit ihrem reinen Jungfrauengesicht und ließ kein Auge von diesen Herren; die Garderobenfrau bereitete indessen das Trikot und den Überwurf der Venus vor. Es war schwer zu sagen, wie alt Madame Jules, die Garderobenfrau, war; das Gesicht war vergilbt wie Pergament, die Züge starr und unbeweglich, niemand hat sie anders gekannt. Madame Jules war in der heißen Luft der Ankleidelogen vertrocknet inmitten der berühmtesten Schenkel und Busen von Paris. Sie trug immer das nämliche geschlossene, schwarze Kleid, in dessen platter Taille ein Panzer von Nadeln an der Stelle des Herzens steckte.
    Vergebung, meine Herren, sagte Nana, den Vorhang beiseite schiebend, aber ich war wirklich überrascht ...
    Alle wandten sich um. Sie hatte sich keineswegs verhüllt, sondern nur ein dünnes Batistleibchen angezogen, das ihren Busen zur Hälfte verbarg. Als die Herren sie in die Flucht gejagt, hatte sie eben ihr Fischhändlerkostüm abgelegt; aus dem Beinkleid hing ein Zipfel ihres Hemdes heraus. Nun stand sie da mit nackten Armen, nackten Schultern, die Spitzen der Brüste entblößt, in der wundervollen Jugend einer starken Blonden, und hielt noch immer mit einer Hand den Vorhang, gleichsam bereit, bei dem ersten Schreck wieder zu verschwinden.
    Jawohl, ich bin überrascht worden, ich hätte es nie gewagt ... stammelte sie, die Verlegene spielend, wobei eine leichte Röte auf ihrem Nacken erschien und ein Lächeln der Verwirrung ihren Mund umspielte.
    Lassen Sie das; man findet Sie schön, rief Bordenave.
    Sie versuchte noch immer die zögernde Züchtige zu spielen und schüttelte sich, als ob jemand sie kitzele. Dabei wiederholte sie:
    Euere Hoheit erweist mir zu viel Ehre ... Ich bitte Euere Hoheit, mich zu entschuldigen, daß ich Sie so empfange ...
    Im Gegenteil, ich bin zur unrechten Zeit gekommen, sagte der Prinz; aber ich konnte dem Verlangen nicht widerstehen, Ihnen meine Aufwartung zu machen.
    Da ließ sie den Vorhang fallen und ging im Beinkleid ruhig zur Toilette an den Herren vorbei, die ihr Platz machten. Sie hatte sehr kräftige Hüften, das Beinkleid spannte sich, als sie mit feinem Lächeln die Herren nochmals grüßte, ihnen die entblößte Brust zuwendend. Plötzlich schien sie den Grafen Muffat zu erkennen und reichte ihm freundschaftlich die Hand. Dann schalt sie ihn aus, weil er zu ihrem Abendessen nicht gekommen war. Seine Hoheit neckte den Grafen Muffat, der keine Antwort hervorzubringen vermochte und zitterte, weil er einen Augenblick die kleine, noch von den Essenzen der Toilette feuchte Hand der Schauspielerin in seiner brennenden Hand hielt. Der Graf hatte beim Prinzen sehr gut gespeist, der ein starker Esser und Trinker war. Beide waren sogar etwas angeheitert, doch hielten sie sich tapfer. Um seine Verlegenheit zu verbergen, sprach Muffat von der Hitze.
    Mein Gott, wie heiß es hier ist, sagte er. Wie können Sie nur in einer solchen Luft leben?
    Das Gespräch kam in Gang, als plötzlich laute Stimmen vor der Loge vernehmbar wurden. Bordenave schob das Plättchen zurück, das ein in der Tür angebrachtes Guckfensterchen verdeckte und blickte hinaus. Es war Fontan gefolgt von Prullière und Busc; alle drei hielten Champagnerflaschen unter den Armen und Gläser in den Händen. Fontan klopfte und schrie, heute sei sein Namenstag, und er zahle Champagner. Nana blickte den Prinzen fragend an; dieser sagte, er wolle niemanden stören, es werde ihn nur freuen, wenn die Herren kämen. Doch Fontan war, ohne die Erlaubnis abzuwarten, schon eingetreten und rief:
    Ich bin kein Schmutzian, ich zahle Champagner ...
    Plötzlich bemerkte er den Prinzen, den er hier nicht vermutet hatte. Er stellte sich in Positur und sagte mit komischer Feierlichkeit:
    Draußen

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