Nana
gelangweilt.
Und Steiner? fragte Mignon.
Herr Steiner ist gestern nach Loiret abgereist, sagte Barillot, indem er sich zur Rückkehr auf die Bühne anschickte. Ich denke, er will da unten ein Landgut kaufen.
Ach ja, für Nana ...
Mignon war ernst geworden. Dieser Steiner, der seiner Rosa eine Villa versprochen hatte ... Doch man soll sich mit niemandem verfeinden, man kann nicht wissen ... Mignon ging nachdenklich im Zimmer auf und ab. Niemand außer Fauchery war anwesend. Der Journalist hatte sich ermüdet in dem großen Sessel ausgestreckt. So verharrte er ruhig mit halbgeschlossenen Augen unter den Blicken Mignons, der ihn im Vorbeigehen immer ansah. Wenn sie unter sich waren, verschmähte es Mignon, den Journalisten mit Püffen zu traktieren, da sich doch niemand an dem Anblick weiden konnte. Zu seinem eigenen Vergnügen aber war ihm die Sache nicht interessant genug. Fauchery, froh über die kurze Erholung, streckte behaglich die Beine vor dem Kamin aus und blickte gleichgültig im Zimmer umher. Mignon blieb vor Potiers Büste stehen und betrachtete sie, ohne sie zu sehen; dann ging er zum Fenster und schaute in den öden, finsteren Hofraum. Der Regen hatte aufgehört; es herrschte tiefe Stille im Zimmer, die noch drückender wurde durch die Hitze, die der Ofen und die Gasflammen ausströmten. Von der Bühne her kam keinerlei Geräusch; die Treppen und Gänge waren wie ausgestorben. Es herrschte jene Aktschlußruhe, in der das ganze Personal auf der Bühne ist, um bei irgendeinem tobenden, geräuschvollen Schlusse mitzutun.
Ach, ihr Kamele! rief jetzt Bordenave mit seiner heiseren Stimme.
Er war eben erst angekommen und keifte schon mit zwei Statistinnen, die ihr Auftreten verfehlt hatten. Als er Mignon und Fauchery sah, rief er sie herbei, um ihnen etwas zu zeigen. Der Prinz war gekommen und hatte gebeten, Nana während des Zwischenaktes in ihrer Garderobe seine Aufwartung machen zu dürfen. In dem Augenblick, als er die beiden Herren auf die Bühne führen wollte, kam der Regisseur vorüber.
Sie werden diesen Gänsen, Ferrande und Maria, Geldstrafen aufschreiben! rief Bordenave ihm zu, weil sie nicht besser aufpassen.
Dann fuhr er mit dem Taschentuch über das breite Gesicht, suchte eine wohlwollende Miene anzunehmen und sagte:
Jetzt will ich Se. Hoheit empfangen.
Der Vorhang fiel unter einer langanhaltenden Beifallssalve. Sofort entstand auch ein heilloser Wirrwarr auf der halbdunkeln Bühne. Die Schauspieler und Statistinnen beeilten sich, in ihre Garderoben zurückzukehren, während die Maschinisten schleunig die Dekoration entfernten. Simonne und Clarisse waren im Hintergrunde der Bühne geblieben und plauderten leise miteinander. Clarisse bat Simonne hinabzugehen und La Faloise begreiflich zu machen, daß er sie in Ruhe lassen und sich jetzt mehr an Gaga halten solle.
Simonne übernahm es, mit ihm fertig zu werden. Sie warf ihre Pelzjacke über ihr Wäscherinkostüm und stieg über eine schmale, schmutzige Wendeltreppe an feuchten Wänden vorbei in die Loge der Hausmeisterin hinab. Diese Loge, die zwischen zwei Treppen lag, deren eine in das Künstlerzimmer, die andere in die Theaterkanzlei führte, war rechts und links durch Glaswände abgeschlossen und glich einer durch zwei Gasflammen erleuchteten großen Laterne.
Da hing ein Wandschrank, in dem Briefe und Zeitungen aufgehäuft waren. Auf dem Tische standen Blumensträuße neben schmutzigen Tellern und einem Mieder, dessen Knopflöcher die Hausmeisterin ausbesserte. Inmitten dieser Unordnung saßen in den vier Winkeln des Raumes auf schlechten Strohstühlen elegant gekleidete Herren, geduldig harrend und lebhaft den Kopf wendend, sooft Madame Bron herabkam und ihnen Antwort brachte. Sie hatte soeben einem jungen Mann einen Brief übergeben, der sich beeilte, im Vorraum das Billett zu öffnen. Er erbleichte als er die Worte las: »Mein Teurer, unmöglich heute abend: ich bin anderweitig verpflichtet.« Auf einem Sessel im Hintergrunde, zwischen Tisch und Ofen, saß La Faloise; er schien entschlossen, den ganzen Abend hier zu warten. Er war in Unruhe und Aufregung und zog häufig die Beine wieder an sich, weil eine ganze Brut von kleinen Katzen an ihm herumkrabbelte, während die alte Katze auf den Hinterbeinen vor ihm saß und ihn mit ihren gelben Augen anglotzte.
Ah, Sie sind's, Fräulein Simonne! fragte die Hausmeisterin. Was wünschen Sie denn?
Simonne bat sie, La Faloise hinauszuschicken; allein Madame Bron konnte diesem Wunsche nicht
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