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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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steht König Dagobert und hat den Wunsch, mit Euerer königlichen Hoheit anzustoßen.
    Der Prinz lächelte, man fand den Spaß reizend.
    Die Loge war zu klein für so viele Leute. Einer stand dicht neben dem andern, Satin und Madame Jules im Hintergrund am Vorhang, die Herren rings um die halbnackte Nana. Die drei Schauspieler trugen noch ihr Kostüm vom zweiten Akt. Während Prullière seinen Schweizer Admiralshut abnahm, dessen riesiger Federbusch unter der niedrigen Decke nicht Platz gehabt hätte, suchte Bosc, bekleidet mit dem roten Wams und der Weißblechkrone, auf seinen wackeligen Säuferbeinen festzustehen und grüßte den Prinzen wie ein Monarch, der den Sohn eines mächtigen Nachbars empfängt.
    Die Gläser wurden gefüllt, man stieß an.
    Ich trinke auf das Wohl Euerer Hoheit, sagte Bosc mit königlicher Würde.
    Auf die Armee! fügte Prullière hinzu.
    Auf Venus! rief Fontan.
    Der Prinz schwenkte jedesmal grüßend sein Glas und sagte:
    Madame ... Admiral ... Sire ...
    Er trank in einem Zug. Graf Muffat und Marquis Chouard taten dasselbe. Man scherzte nicht mehr, man war bei Hofe. Diese Theaterwelt spielte hier die wirkliche Welt sehr ernsthaft bei heißem Gaslicht. Nana vergaß, daß ihr der Zipfel des Hemdes bei den Beinkleidern heraushing, sie spielte die große Dame, die Königin Venus, die ihren Staatswürdenträgern die Salons öffnete. In jedem Satze warf sie mit den Worten »Königliche Hoheit« umher, machte dem Prinzen ernsthafte Verbeugungen und behandelte Bosc und Prullière wie ein Souverän seine Minister. Niemand lächelte über diese seltsame Mischwelt, über diesen wirklichen Prinzen, den Erben eines Thrones, der den Champagner eines Komödianten trank und sich sehr wohl befand inmitten dieses Götterkarnevals, dieser Maskerade des Königtums, inmitten eines Volkes von Garderobenfrauen und Dirnen, Bretterhelden und Zuhältern. Bordenave, dem diese Szene außerordentlich gefiel, dachte daran, was er für Einnahmen hätte, wenn Seine Hoheit einwilligen wollte, im zweiten Akte der »Blonden Venus« so auf der Bühne zu erscheinen.
    Wie wär's, rief er vertraulich, wenn ich meine Weibchen herunterkommen ließe?
    Nana sträubte sich dagegen. Doch verlor sie selbst bald vollends den Kopf. Sie fühlte sich zu Fontan mit seiner grotesken Maske hingezogen. Sie schmiegte sich an ihn und verschlang ihn mit den Augen eines schwangeren Weibes, das plötzlich nach etwas Unsauberem Verlangen trägt. Dann sagte sie, in einer plötzlichen Aufwallung ihn duzend:
    Schenk ein, großes Tier.
    Fontan füllte die Gläser von neuem, man trank und brachte die Trinksprüche aus:
    Auf seine Hoheit.
    Auf die Armee!
    Auf Venus!
    Nana gebot Stillschweigen, sie hob ihr Glas und rief:
    Nein, auf Fontan, der heute seinen Namenstag feiert. Fontan hoch, hoch!
    Man ließ Fontan hochleben. Der Prinz, der bemerkt hatte, daß Nana den Komiker mit Blicken verschlang, trank diesem zu.
    Herr Fontan, sagte er mit seiner vornehmen Höflichkeit, ich trinke auf Ihren Erfolg.
    Der Raum wurde immer enger; der Prinz und Graf Muffat, die Nana in die Mitte genommen hatten, mußten jeden Augenblick die Hände heben, um nicht bei der geringsten Bewegung an ihre Hüften oder Brust zu stoßen. Inzwischen wartete Madame Jules geduldig und unempfindlich, während Satin, als sie sah, wie ein wirklicher Prinz in Gesellschaft dieser Komödianten sich an eine halbnackte Schauspielerin herandrängte, im stillen dachte, daß die vornehmen Herren nicht viel besser seien als die gemeinen Männer.
    Im Korridor ließ Vater Barillot seine Klingel ertönen. Vor der Tür der Loge angekommen, sah er zu seinem Schrecken, daß die drei Schauspieler noch in dem Kostüm vom zweiten Akt waren.
    Meine Herren, stammelte er, beeilen Sie sich; im Zimmer ist schon das Zeichen gegeben worden.
    Bah, sagte Bordenave, das Publikum kann warten.
    Da die Flaschen leer waren, grüßten die Schauspieler und gingen hinauf, sich anzukleiden. Bosc nahm den falschen Bart ab, den er mit Champagner vollgeschüttet hatte, da sah man sein vom Trunke verwittertes, vom vielen Rasieren blau gewordenes Gesicht. Man hörte, wie er am Fuße der Treppe zu Fontan bemerkte:
    Habe ich dem Prinzen imponiert, he?
    Niemand war mehr in Nanas Loge als der Prinz, Graf Muffat und der Marquis Chouard. Bordenave hatte sich mit Barillot entfernt, dem er befahl, nicht das Zeichen zum Beginn zu geben, ohne vorher Madame zu benachrichtigen.
    Sie erlauben, meine Herren, sagte Nana, indem sie fortfuhr, ihr

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