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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Gesicht und ihre Arme für den dritten Akt zu schminken.
    Der Prinz nahm auf dem Sofa Platz, neben ihm der Marquis. Graf Muffat blieb stehen. Die zwei Gläser Champagner hatten die Herren noch wärmer gemacht. Als Satin sah, daß diese Herren bei ihrer Freundin blieben, verschwand sie hinter dem Vorhang. Sie saß ruhig auf einem Koffer, während Madame Jules wortlos ab und zu ging, ohne zu hören und zu sehen, was um sie her geschah.
    Sie haben Ihre Lieder vortrefflich gesungen, sagte der Prinz zu Nana.
    Das Gespräch wurde wieder angeknüpft, bestand aber nur aus kurzen, von Zeit zu Zeit vorgebrachten Phrasen. Nana konnte nicht immer antworten. Nachdem sie sich Arme und Gesicht mit Goldcreme eingerieben, legte sie mit Hilfe einer Serviette weiße Schminke auf.
    Ohne in dieser Arbeit inne zu halten, wandte sie sich einen Augenblick vom Spiegel zum Prinzen und sagte lächelnd:
    Euere Hoheit verwöhnen mich.
    Der Marquis folgte mit lüsterner Gier der Toilette. Dann bemerkte er:
    Das Orchester sollte Sie mehr gedämpft begleiten; es ist jammerschade, Ihre Stimme so zu decken.
    Diesmal wandte Nana sich nicht um. Sie hatte den Hasenlauf ergriffen und glättete damit ihr Gesicht. Dabei mußte sie sich über den Toilettetisch beugen, so daß die Rundung ihrer Hose sich voll abzeichnete, aus der der Hemdzipfel noch immer heraushing. Um für das Kompliment des Greises sich empfänglich zu zeigen, wiegte sie sich beifällig in den Hüften.
    Es war still im Zimmer. Madame Jules hatte in der rechten Hälfte des Beinkleides einen Riß entdeckt. Sie nahm eine Stecknadel aus der Taille und kniete dann einen Augenblick auf dem Boden, an dem Schenkel Nanas beschäftigt. Inzwischen fuhr diese fort, sich einzupudern. Als der Prinz die Bemerkung machte, sie werde in England Aufsehen erregen, wenn sie hinüberkomme, lächelte sie und wandte ihm einen Augenblick das Gesicht zu, das erst auf der einen Seite gepudert war. Dann wurde sie wieder ernst; sie mußte auch Rot auflegen. Sie näherte das Gesicht dem Spiegel, tauchte den Finger in den Schminktopf und legte die Schminke unterhalb der Augen auf, um sie sorgfältig bis zu den Schläfen auszubreiten. Die Herren schwiegen.
    Graf Muffat hatte noch nicht den Mund geöffnet. Er dachte an seine Jugend. Das Zimmer, das er als Kind bewohnt hatte, war völlig kalt gewesen. Später, mit sechzehn Jahren, wenn er am Abend seine Mutter küßte, nahm er das Eisige dieses Kusses bis in den Schlaf mit. Eines Tages hatte er im Vorbeigehen durch eine halboffene Tür eine Magd gesehen, die sich eben wusch. Es war dies von seiner Mannbarkeit bis zu seiner Vermählung die einzige Erinnerung, die seine Gedanken beunruhigte. Bei seiner Frau fand er einen strengen Gehorsam für die ehelichen Pflichten; er selbst empfand stets ein gewisses, frommes Widerstreben. Er war reifer und älter geworden, und gebeugt unter religiösen Übungen, sein ganzes Leben nach Vorschriften und Gesetzen regelnd, waren die Verlockungen des Fleisches ihm unbekannt geblieben. Jetzt fand er sich plötzlich in der Ankleideloge einer Schauspielerin vor diesem nackten Mädchen. Er, der niemals gesehen hatte, wie seine Gattin ein Strumpfband anlegte, wohnte jetzt den intimen Einzelheiten der Toilette einer Frau bei, inmitten der Töpfe und Tiegel, umweht von scharfen und doch lieblichen Düften. Sein ganzes Wesen empörte sich; er erschrak darüber, wie Nana allmählich Besitz von ihm nahm; er erinnerte sich der frommen Bücher, die er in seiner Jugend gelesen und der Schrecknisse des Teufels, die man ihm vorgemalt. Er glaubte jetzt an den Teufel. Der Teufel – das ist Nana mit ihrem Lachen, ihren vom Laster geschwellten Busen und Hüften. Doch er faßte den Vorsatz, stark zu sein und sich zur Wehre zu setzen.
    Also abgemacht, sagte der Prinz, Sie kommen nächstes Jahr nach London; wir wollen Ihnen einen solchen Empfang bereiten, daß Sie nie mehr Verlangen tragen werden, nach Frankreich zurückzukehren. Ach, mein lieber Graf, man weiß bei Ihnen in Frankreich die schönen Frauen nicht nach Ihrem Werte zu schätzen, darum wollen wir sie Ihnen nehmen.
    Das wird ihn wenig kümmern, murmelte der Marquis; der Graf ist die verkörperte Tugend.
    Als Nana von seiner Tugend reden hörte, sah sie den Grafen in so drolliger Weise an, daß er in arge Verlegenheit geriet. Dann ärgerte er sich wieder über diese Empfindung. Warum sollte er sich des Gedankens, daß er tugendhaft sei, vor diesem Mädchen schämen! Er hatte Lust, sie zu schlagen. In

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