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Nana

Titel: Nana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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diesem Augenblick ließ Nana einen kleinen Pinsel, den sie ergreifen wollte, zu Boden fallen. Sie und der Graf bückten sich gleichzeitig, um ihn aufzuheben, dabei kamen sie einander so nahe, daß ihr Atem sich vermengte und Venus' aufgelöstes Haar dem Grafen auf die Hände fiel. Unendliche Wollust verdrängte im Augenblick die Vorwürfe aus seinem Herzen. Draußen wurde die Stimme des Vater Barillot hörbar.
    Madame, darf ich das Zeichen geben? Das Publikum wird ungeduldig.
    Sofort, sagte Nana ruhig.
    Sie hatte den Pinsel in einen Topf schwarzer Farbe getaucht, schloß das linke Auge und zog einen zarten Strich zwischen den Wimpern. Muffat, der hinter ihr stand, beobachtete sie. Er sah sie im Spiegel mit ihren runden Schultern und ihrer rosig angehauchten Brust. Er vermochte trotz aller Anstrengungen sich von dem Anblicke dieses Gesichtes nicht abzuwenden, das durch das geschlossene Auge so herausfordernd war. Als sie nun das rechte Auge schloß und auch hier einen feinen schwarzen Strich malte, da fühlte er, daß er vollkommen in ihrer Macht sei.
    Madame, sagte der Diener, das Publikum stampft mit den Füßen und droht, die Bänke zu zerschlagen. Soll ich das Zeichen geben?
    Meinetwegen, rief Nana ungeduldig, es ist mir ganz egal. Wenn ich nicht fertig bin, wird man auf mich warten müssen.
    Dann wandte sie sich lächelnd zu den Herren und sagte:
    Man kann nicht eine Minute ruhig plaudern.
    Sie war mit Gesicht und Händen fertig und legte nur noch zwei breite Streifen Karmin auf die Lippen. Graf Muffat geriet noch mehr in Verwirrung, verführt durch die Verderbtheit dieser Schminke und Puder, überwältigt von dem Verlangen nach dieser gemalten Jugend mit dem allzu weißen Gesichte, den vergrößerten, schwarz eingerahmten, liebeglühenden Augen.
    Jetzt verschwand Nana hinter dem Vorhang, um die Beinkleider abzustreifen und das Netz der Venus anzulegen. Dann kam sie wieder hervor, knöpfte mit ruhiger Schamlosigkeit ihr Leibchen auf und hielt der Madame Jules die Arme hin, damit sie ihr den Überwurf anlege.
    Rasch, das Publikum wird böse.
    Der Prinz beobachtete als Kenner mit halbgeschlossenen Augen die vollen Linien ihres Busens, während der Marquis unwillkürlich mit dem Kopfe nickte. Muffat, um nicht mehr zu sehen, blickte auf den Teppich. Venus war bereit, sie trug nichts als diesen Überwurf aus Gazestoff. Madame Jules machte mit ihrem hölzernen, starren Gesichte die Runde um Nana, dann nahm sie Nadeln und steckte den Überwurf auf, wobei sie den nackten Leib der Schauspielerin mit solcher Gleichgültigkeit berührte, als habe sie nie das Bewußtsein ihres Geschlechtes gehabt.
    Fertig, sagte Nana, indem sie einen letzten Blick in den Spiegel warf.
    Bordenave kam besorgt zurück und meldete, daß der dritte Akt begonnen habe.
    Gut, ich gehe, sagte Nana, sonst warte ich immer auf die anderen.
    Die Herren verließen die Loge, aber sie verabschiedeten sich nicht; der Prinz äußerte den Wunsch, hinter den Kulissen dem dritten Akt beizuwohnen. Als Nana allein geblieben war, blickte sie erstaunt umher.
    Wo ist sie denn? fragte sie.
    Sie suchte Satin. Endlich fand sie diese hinter dem Vorhang auf einem Koffer sitzend.
    Ich wollte dich nicht stören mit allen diesen Herren, sagte sie.
    Sie fügte hinzu, daß sie nun gehen wolle. Doch Nana hielt sie zurück. Das sei unrecht. Bordenave habe eingewilligt, sie zu nehmen, man könne die Sache nach dem Theater abmachen. Satin zögerte. Es gehe da gar zu bunt her; das sei nicht ihre Welt. Indessen blieb sie.
    Als der Prinz die kleine hölzerne Treppe hinabstieg, wurde ein seltsamer Lärm, unterdrückte Flüche, dumpfe Schläge, von der anderen Seite her vernehmbar. Es mußte dort etwas vorgehen, das alle diese Schauspieler, die auf ihr Stichwort warteten, interessierte. Mignon hatte seine Späße mit Fauchery wieder begonnen. Er unterhielt sich jetzt damit, dem Journalisten kleine Nasenstüber zu geben, um ihm, wie er sagte, die Fliegen zu verjagen. Dieses Spiel unterhielt natürlich die Schauspieler aufs höchste. Doch plötzlich versetzte, fortgerissen von seinem Temperament, Mignon dem Journalisten eine Ohrfeige, eine wirkliche regelrechte Ohrfeige. Diesmal war es zu weit gegangen. Eine solche ausgiebige Maulschelle konnte Fauchery unmöglich lachend vor den Leuten einstecken. Die beiden Männer ließen nun den Spaß sein und sprangen einander mit bleichen, von Haß verzerrten Gesichtern an die Kehle. Bald wälzten sie sich am Boden, hinter einem Versetzstück und

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