Nana
sechsten Tage fiel eine Schar von Besuchern mitten in diese Idylle hinein. Nana hatte eine Menge Leute eingeladen in der Meinung, es werde niemand kommen. Sie war daher auch recht verdrießlich, als an einem Nachmittag ein voller Omnibus vor dem Tore von La Mignotte hielt.
Da sind wir, rief Mignon, der zuerst dem Wagen entstieg und dann seine beiden Söhne Henri und Charles herunterholte.
Jetzt erschien Labordette, der einer endlosen Reihe von Damen vom Wagen half: Lucy Stewart, Karoline Héquet, Tatan Néné, Maria Blond. Nana dachte, es seien alle da, als La Faloise zum Vorschein kam, um Gaga herauszuheben und dann ihre Tochter Amélie. Zusammen elf Personen. Es war schwer, alle diese Leute unterzubringen. In La Mignotte waren fünf Gastzimmer, deren eines schon von Madame Lerat und Ludwig besetzt war. Das größte der freien Zimmer wurde Gaga und La Faloise eingeräumt. Amélie sollte auf einem Feldbett in Nanas Toilettezimmer schlafen. Mignon und seine beiden Söhne erhielten das dritte Zimmer, Labordette das vierte. Es war noch ein Zimmer da; hier schlug man vier Betten auf, für Lucy Stewart, Karoline Héquet, Tatan und Maria. Steiner sollte auf dem Diwan im Salon schlafen. Als alle untergebracht waren, zeigte Nana – die anfänglich wütend gewesen – sich entzückt in ihrer Rolle als Schloßherrin. Die Damen beglückwünschten sie zu ihrer Besitzung.
Dann erzählten sie ihr, alle zugleich redend, die neuesten Pariser Geschichten.
Was hat Bordenave zu meiner Flucht gesagt?
Er hatte es nicht zu arg getrieben. Nachdem er anfangs gebrüllt, daß er sie durch Gendarmen werde zurückbringen lassen, hatte er ganz einfach am Abend ihre Rolle durch eine andere besetzt und die kleine Violaine, die jetzt die »Blonde Venus« darstellt, hatte keinen üblen Erfolg erzielt. Diese Nachricht machte Nana nachdenklich ...
Es war erst vier Uhr. Man schlug vor, einen Spaziergang zu machen.
Als ihr ankamt, rief Nana, war ich eben im Begriff, Erdäpfel auszuheben.
Da wollten alle Erdäpfel ausheben, ohne auch nur die Kleider zu wechseln. Das war einmal ein rechter Spaß. Der Gärtner und seine beiden Gehilfen befanden sich schon auf dem Felde. Die Damen knieten auf dem Boden, wühlten mit ihren ringgeschmückten Fingern die Erde auf und stießen ein Freudengeschrei aus, wenn sie eine recht große Kartoffel entdeckten. Es war eine prächtige Unterhaltung. Tatan Néné feierte hierbei ihre höchsten Triumphe. Sie hatte in ihrer Jugend sich so viel mit dem Einsammeln von Erdäpfeln beschäftigt, daß sie auf die andren geringschätzig herabsehen und ihnen Ratschläge erteilen konnte, wie sie es zu machen hätten. Die Herren strengten sich weniger an. Mignon, der hier den Biedermann spielte, benützte den Landaufenthalt dazu, die Erziehung seiner Söhne zu ergänzen. Er hielt ihnen Vorträge über Parmentier und dessen Verdienste um die Einführung des Kartoffelbaues.
Das Essen am Abend war von einer ausgelassenen Heiterkeit. Es wurde nur so verschlungen. Nana, die sich in angeregter Stimmung befand, zankte sich mit ihrem »Haushofmeister«, einem jungen Menschen, der beim Bischof von Orleans gedient hatte. Beim Kaffee rauchten die Damen. Ein förmlicher Hochzeitslärm tönte zu den offenen Fenstern hinaus und verlor sich im Abenddunkel. Die von der Feldarbeit heimkehrenden Bauern blieben von Zeit zu Zeit stehen und betrachteten mit erstaunter Miene das hellerleuchtete Haus.
Es ist dumm, daß ihr übermorgen schon nach Paris zurückkehrt, rief Nana, aber wir wollen bis dahin schon einiges veranstalten.
Man beschloß, übermorgen, an einem Sonntag, die Ruinen der alten Abtei von Chamont, die ungefähr sieben Kilometer entfernt lagen, zu besuchen. Fünf Wagen aus Orleans sollten die ganze Gesellschaft nach dem Frühstück abholen und gegen 7 Uhr abends zum Essen wieder nach La Mignotte bringen. Es versprach, reizend zu werden.
Wie allabendlich, kam auch heute Graf Muffat das Flüßchen entlang nach La Mignotte. Er war erstaunt über die helle Beleuchtung und die geräuschvolle Heiterkeit. Die Stimme Mignons erkennend, begriff er die Sachlage und entfernte sich wütend über dieses neue Hindernis und entschlossen, irgendeinen Gewaltstreich zu begehen. Georges, der durch eine kleine Hinterpforte, zu der er den Schlüssel besaß, das Haus betrat, stieg ruhig zum Zimmer Nanas hinauf, indem er längs der Mauern vorbeihuschte. Doch es wurde Mitternacht, bis sie kam. Sie war tüchtig benebelt sie immer sehr verliebt. Sie wollte
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