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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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unglaublich zärtlich zu mir und nahm sich sehr viel Zeit. Und ich kam so heftig, daß Blitze mich durchzuckten, so wie ich es während unserer ganzen Ehe noch nie erlebt hatte. Und warum? Weil ich noch immer die Finger dieses Mädchens auf meinem Körper spürte, nur darum. Uff, ist das peinlich, von Sex und Orgasmen zu erzählen. Mir ist richtig der Schweiß ausgebrochen.« Reiko lächelte verlegen. »Aber es half alles nichts. Zwei, drei Tage vergingen, und ich spürte ihre Berührungen immer noch, und ihre letzten Worte hallten unaufhörlich durch meinen Kopf.
    Am folgenden Samstag tauchte sie nicht auf. Mit Herzklopfen hatte ich mir den ganzen Tag den Kopf darüber zerbrochen, wie ich mich verhalten sollte, wenn sie nun doch noch käme. Ich war zu nichts zu gebrauchen. Aber sie kam nicht. Natürlich nicht, denn sie war sehr stolz, und ich hatte sie zurückgewiesen. Auch in der nächsten und übernächsten Woche ließ sie sich nicht blicken. So verging ein Monat. Ich hatte gehofft, ich würde die ganze Sache mit der Zeit vergessen, aber ich konnte es nicht. Wenn ich allein zu Hause war, spürte ich ihre Gegenwart und war außerstande, mich zu entspannen oder zu konzentrieren. Nicht einmal Klavier spielen konnte ich. Ich wußte nichts mehr mit mir anzufangen. Und dann fiel mir auf, daß mit den Nachbarn irgend etwas nicht stimmte. Sooft ich das Haus verließ, schienen sie mich so eigenartig zu beäugen – distanziert. Zwar grüßten sie mich noch, aber ihr Ton und ihr Verhalten mir gegenüber hatten sich verändert. Selbst eine Nachbarin, die mich gelegentlich besucht hatte, begann mich zu schneiden. Ich versuchte, das alles nicht zu beachten. Aber wenn man solche Dinge bemerkt, hat man bereits die ersten Symptome der Krankheit.
    Eines Tages suchte mich unangemeldet eine befreundete Dame auf. Sie war in meinem Alter, unsere Mütter kannten sich, unsere Kinder gingen zusammen in den Kindergarten, wir standen uns also recht nahe. Ob ich von den widerlichen Gerüchten wisse, die über mich im Umlauf seien?
    ›Was für Gerüchte denn?‹ fragte ich.
    ›Es fällt mir sehr schwer, Ihnen das zu sagen.‹
    ›Jetzt, wo Sie schon so viel angedeutet haben, müssen Sie mir auch alles sagen.‹
    Es war ihr spürbar unangenehm, aber sie erzählte es mir doch, denn im Grunde war sie ja deswegen gekommen. Den Gerüchten zufolge sei ich schon mehrfach in einer Nervenheilanstalt gewesen und homosexuell. Ich hätte eine Klavierschülerin nackt ausgezogen, um sie zu befummeln. Als sie sich wehrte, hätte ich sie so geschlagen, daß ihr Gesicht angeschwollen sei.
    Natürlich hatte das Mädchen die ganze Geschichte verdreht. Aber wie hatte sie erfahren, daß ich in einer Nervenklinik gewesen war? Das erschreckte mich am meisten.
    ›Ich habe diesen Leuten sofort widersprochen‹, berichtete meine Bekannte. ›Ich sei seit langem mit Ihnen bekannt und es müsse sich um eine Verwechslung handeln. Aber die Eltern des Mädchens glauben ihrer Tochter und verbreiten die Geschichte in der ganzen Nachbarschaft. Zudem haben sie Nachforschungen über Sie angestellt und herausgefunden, daß Sie unter psychischen Störungen leiden.‹
    Konkret hatte meine Bekannte folgendes gehört: Das Mädchen sei in Tränen aufgelöst vom Klavierunterricht gekommen, und ihre Mutter habe ihr jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen müssen. Ihr Gesicht war geschwollen, die Lippe blutig geschlagen. An der Bluse fehlten Knöpfe, und sogar die Unterwäsche war zerrissen. Können Sie sich das vorstellen? Natürlich hatte das kleine Biest sich selbst so hergerichtet, um ihre Geschichte zu untermauern: ihre Bluse absichtlich mit Blut beschmiert, die Knöpfe abgerissen, die Spitze am BH zerfetzt, sich die Augen rot geweint und die Haare zerwühlt, um zu Hause das Blaue vom Himmel herunterzulügen. Ich sehe es förmlich vor mir.
    Ich kann es den Leuten gar nicht übelnehmen, daß sie die Geschichte geglaubt haben. An ihrer Stelle hätte ich es auch getan, wenn dieser puppengesichtige Teufelsbraten mit versagender Stimme geschluchzt hätte: ›Nein, nein, ich kann’s nicht sagen, ich schäme mich so.‹ Sie hätte jeden überzeugt. Daß ich ja wirklich wegen psychischer Probleme im Sanatorium gewesen war und ihr wirklich eine schallende Ohrfeige verpaßt hatte, machte alles noch schlimmer. Wer sollte mir da noch glauben, außer meinem Mann?
    Nachdem ich ein paar Tage mit mir gerungen hatte, erzählte ich ihm die ganze Geschichte, und er glaubte mir tatsächlich. Ich

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