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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Ich konnte nur noch weinen. Und es war himmlisch.
    ›Hör auf‹, rief ich mit letzter Anstrengung und versetzte ihr, so fest ich konnte, eine Ohrfeige. Da hörte sie endlich auf und sah mir ins Gesicht. Splitternackt hockten wir auf dem Bett und starrten uns an. Sie war dreizehn, ich einunddreißig… aber der Anblick ihres Körpers überwältigte mich. Ich sehe sie noch genau vor mir und kann es immer noch nicht glauben, daß dies der Körper einer Dreizehnjährigen war. Mit ihr verglichen sah ich zum Heulen aus. Wirklich.«
    Dazu konnte ich nichts sagen, also schwieg ich.
    »Was denn los sei, fragte sie mich entgeistert. ›Es gefällt Ihnen doch auch, das wußte ich von Anfang an. Ich weiß, daß Sie es mögen. Ist doch viel schöner als mit einem Mann, oder? Sie sind ja auch ganz naß. Ich kann es noch viel schöner für Sie machen, so schön, daß Sie dahinschmelzen. Das wollen Sie doch, oder?‹ Und sie hatte recht. Mit ihr war es viel schöner als mit meinem Mann. Und ich wollte, daß sie weitermachte, aber ich wußte, daß ich das auf keinen Fall zulassen durfte. ›Wir machen es einmal in der Woche‹, sagte sie. ›Niemand wird’s erfahren. Es bleibt unser Geheimnis.‹
    Ich stand auf, zog meinen Bademantel an und sagte ihr, sie solle verschwinden und sich nie mehr blicken lassen. Sie sah mich nur an. Ihre Augen waren ganz anders als sonst, völlig ausdruckslos, wie auf Pappe gemalt. Sie hatten jede Tiefe verloren. Nachdem sie mich eine Weile so angestarrt hatte, sammelte sie wortlos ihre Kleider ein, zog sich provozierend langsam an. Dann ging sie ins Klavierzimmer zurück, nahm eine Bürste aus ihrer Tasche, bürstete sich die Haare, wischte sich mit einem Taschentuch das Blut von der Lippe, zog schließlich ihre Schuhe an und ging. Beim Hinausgehen sagte sie noch: ›Sie sind lesbisch und werden es bis zu Ihrem Lebensende bleiben, auch wenn Sie es noch so leugnen‹«.
    »Stimmt das?« fragte ich.
    Reiko spitzte die Lippen und überlegte einen Moment. »Ja und nein. Ich fand es eindeutig erregender mit ihr als mit meinem Mann. Das steht fest, und es gab auch eine Zeit, in der mich diese Frage richtig gequält hat – vielleicht war ich lesbisch und hatte es nur noch nicht gemerkt? Doch inzwischen glaube ich das nicht mehr. Was nicht heißt, daß ich nicht die Tendenz dazu hätte. Wahrscheinlich habe ich die, aber im üblichen Sinn lesbisch bin ich nicht. Wenn ich eine Frau ansehe, empfinde ich nie Begehren. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Ich nickte.
    »Gewisse Mädchen fühlen sich zu mir hingezogen, und ich spüre das sofort. Nur dann regt sich auch in mir etwas. Aber wenn ich zum Beispiel Naoko im Arm halte, empfinde ich gar nichts Besonderes. Wenn es heiß ist, spazieren wir fast nackt in der Wohnung herum, wir baden zusammen, und manchmal schlafen wir auch in einem Bett… aber es passiert nichts. Ich empfinde nichts. Sie hat einen schönen Körper, das sehe ich, aber mehr nicht. Einmal haben wir gespielt, wir wären Lesben, Naoko und ich. Möchten Sie davon hören?«
    »Ja, erzählen Sie nur.«
    »Als ich Naoko die Geschichte mit dem Mädchen erzählt habe – wir erzählen uns alles – , hat Naoko mich probeweise gestreichelt. Wir haben uns nackt ausgezogen, aber es funktionierte nicht, es hat nur gekitzelt, und wir wären vor Lachen fast gestorben. Wenn ich nur daran denke, juckt es mich, so unbeholfen war sie. Sind Sie jetzt erleichtert?«
    »Ehrlich gesagt, ja«, erwiderte ich.
    »Tja, und das war auch im großen und ganzen meine Geschichte.« Reiko kratzte sich mit dem kleinen Finger an der Augenbraue. »Nachdem das Mädchen gegangen war, saß ich eine Zeitlang wie benommen im Sessel und wußte nicht, was ich tun sollte. Tief in meiner Brust pochte dumpf mein Herz, meine Arme und Beine fühlten sich unendlich schwer an, mein Mund war so trocken, als hätte ich eine Motte verspeist. Meine Tochter würde bald nach Hause kommen, zuvor wollte ich unbedingt ein Bad nehmen und meinen Körper, den das Mädchen gestreichelt und geleckt hatte, wieder reinigen, doch sosehr ich mich auch mit Seife schrubbte, ich wurde das schleimige Gefühl nicht los. Ich wußte, ich bildete es mir wohl nur ein, aber das half nichts. In der folgenden Nacht bat ich meinen Mann, mich zu lieben, weil ich hoffte, auf diese Weise die Beschmutzung loszuwerden. Natürlich konnte ich ihm nichts erzählen – ausgeschlossen. Statt dessen bat ich ihn, mich in die Arme zu nehmen und sich mehr Zeit zu lassen als sonst. Er war

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