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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Mädchens. Sie könne nicht schlafen, flüsterte sie mir ins Ohr. Mir geht’s genauso, sagte ich, legte das Buch weg, machte die Taschenlampe aus, nahm Naoko in die Arme und küßte sie. Weich umfingen uns die Dunkelheit und das Rauschen des Regens.
    »Und Reiko?« fragte ich.
    »Keine Sorge, sie schläft ganz fest. Und wenn sie einmal schläft, kann nichts und niemand sie wecken.«
    »Kommst du mich wirklich wieder besuchen?«
    »Ganz bestimmt.«
    »Obwohl ich dir nichts zu geben habe?«
    Ich nickte. Im Dunkeln spürte ich Naokos weiche Brüste an meiner Brust; ich folgte mit der flachen Hand den Konturen ihres Körpers unter ihrem Nachthemd, von der Schulter über den Rücken bis zur Hüfte, und prägte mir seine sanften Kurven ein. Nachdem wir eine Weile so in zärtlicher Umarmung dagelegen hatten, küßte Naoko mich auf die Stirn und schlüpfte aus dem Bett. Ich sah ihr hellblaues Nachthemd schimmernd wie einen Fisch durch das Dunkel gleiten.
    »Auf Wiedersehen«, sagte sie ganz leise.
    Das gleichmäßige Rauschen des Regens im Ohr, fiel ich in einen ruhigen Schlaf.
    Am nächsten Morgen regnete es immer noch, doch statt der heftigen Güsse der vergangenen Nacht ging jetzt ein kaum sichtbarer, feiner, herbstlicher Nieselregen nieder. Daß es regnete, war überhaupt nur an den Wasserringen in den Pfützen und am Ton der Tropfen zu erkennen, die von den Dachrinnen fielen. Als ich aufgewacht war, ballte sich milchiger Dunst vor dem Fenster, doch mit dem Aufsteigen der Sonne blies der Wind die Nebelschwaden fort, und Wald und Bergkämme kamen allmählich wieder zum Vorschein.
    Wie am Tag zuvor machten wir uns nach dem gemeinsamen Frühstück auf den Weg zum Vogelhaus. Naoko und Reiko trugen gelbe Regencapes mit Kapuzen; ich hatte mir einen wasserdichten Anorak über den Pullover gezogen. Die Luft war feucht und kühl. Auch die Vögel schienen vor dem Regen geflüchtet zu sein und hockten dicht aneinandergedrängt ganz hinten in der Voliere.
    »Bei Regen wird’s hier ganz schön kalt«, sagte ich zu Reiko.
    »Ab jetzt wird es nach jedem Regen ein bißchen kälter, bis er dann irgendwann in Schnee übergeht. Die Wolken, die vom Japanischen Meer herüberziehen, bringen massenweise Schnee.«
    »Was passiert denn im Winter mit den Vögeln?«
    »Wir holen sie natürlich rein. Glauben Sie, wir frieren sie ein und buddeln sie dann wieder aus dem Schnee, wenn es Frühling wird?«
    Ich rüttelte an den Käfigmaschen, worauf der Papagei empört aufflatterte und »Scheiße«, »Danke« und »Spinner« krächzte.
    »Den würde ich ganz gern einfrieren«, sagte Naoko düster. »Wenn man das jeden Morgen zu hören kriegt, kann man doch wirklich zum Spinner werden.«
    Nachdem wir die Vögel versorgt hatten, gingen wir in die Wohnung zurück, und während die beiden sich für die Gartenarbeit umzogen, packte ich meine Sachen. Wir brachen gemeinsam auf und trennten uns kurz hinter dem Tennisplatz, wo sie nach rechts abzweigten und ich weiter geradeaus ging. Wir verabschiedeten uns, und noch einmal versprach ich wiederzukommen. Naoko lächelte, dann war sie auch schon hinter der Biegung verschwunden.
    Auf dem Weg zum Tor begegnete ich mehreren Leuten, die alle die gleichen gelben Regencapes mit Kapuze wie Naoko und Reiko trugen. Im Regen schienen alle Farben eine besondere Leuchtkraft zu entfalten. Die Erde war tiefschwarz, die Kiefernzweige glänzten sattgrün, und die Leute in ihren gelben Kapuzen, die sich mit ihren Gartenwerkzeugen, Körben und Säcken lautlos auf den Pfaden bewegten, wirkten wie ganz besondere Geister, denen es nur im morgendlichen Regen gestattet war, auf der Erde zu wandeln.
    Der Wachmann am Tor erinnerte sich noch an meinen Namen und strich ihn vorschriftsgemäß von der Besucherliste, bevor ich das Gelände verließ.
    »Wie ich sehe, kommen Sie aus Tōkyō«, sagte der alte Mann, als er meine Adresse las. »Ich war nur einmal dort, aber ich muß schon sagen, Sie haben da ganz köstliches Schweinefleisch.«
    »Wirklich?« antwortete ich etwas verunsichert.
    »Das meiste von dem, was ich in Tōkyō gegessen habe, hat mir nicht geschmeckt. Aber das Schwein war vorzüglich. Wahrscheinlich züchtet man dort eine besondere Rasse?«
    Darüber wisse ich leider nichts, bedauerte ich. Es war auch das erste Mal, daß mir der Geschmack des Tōkyōter Schweinefleischs als besonders delikat gepriesen wurde. »Wann waren Sie denn in Tōkyō?« fragte ich ihn.
    »Wann war das doch gleich?« Der Alte legte den Kopf schief.

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