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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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»Um die Zeit, als Seine Majestät der Kronprinz geheiratet hat. 2 Mein Sohn war damals in Tōkyō, und ich habe ihn dort besucht.«
    »Ja, damals war das Schweinefleisch bestimmt noch ganz köstlich«, sagte ich.
    »Wie sieht’s denn heute damit aus?«
    Ich sei mir nicht sicher, sagte ich, ich hätte aber nichts Bemerkenswertes darüber gehört. Über diese Antwort war der Alte offenbar ein wenig enttäuscht, machte aber ein Gesicht, als hätte er unser Gespräch gern fortgeführt, so daß ich ihn mit dem Hinweis, ich müsse zum Bus, unterbrechen mußte, ehe ich mich in Richtung Straße aufmachen konnte. Wo der Weg am Bach entlangführte, hingen noch Nebelfetzen in der Luft, doch der Wind war schon dabei, sie hinüber zu den steilen Berghängen zu treiben. Hin und wieder blieb ich stehen, wandte mich um und seufzte ohne bestimmten Grund. Ich hatte das Gefühl, mich plötzlich auf einem Planeten mit einer etwas anderen Anziehungskraft zu befinden. So ist es wohl draußen in der Welt, dachte ich melancholisch.
    Als ich um halb fünf im Wohnheim ankam, stellte ich nur mein Gepäck ab und zog mich gleich für meine Arbeit im Plattenladen in Shinjuku um, wo ich von sechs bis zehn benommen die Vielfalt der Menschen betrachtete, die draußen unaufhörlich vorbeiströmten: Familien, Paare, Betrunkene, Ganoven, muntere Mädchen in kurzen Röcken, bärtige Hippies, Bardamen und Personen, die ich nicht einordnen konnte. Wenn ich Hard Rock auflegte, versammelten sich Hippies und Gammler vor dem Laden und tanzten, schnüffelten Farbverdünner oder hingen einfach so rum. Spielte ich Tony Bennett, trollten sie sich wieder.
    Nebenan verkaufte ein Mann in mittleren Jahren mit schläfrigem Blick sogenanntes Spielzeug für Erwachsene. Auch wenn mir rätselhaft blieb, wieso irgend jemand solche Sachen haben wollte, lief sein Geschäft anscheinend recht gut. In der Passage schräg gegenüber übergab sich ein Student, der einen über den Durst getrunken hatte. In der Spielhölle auf der anderen Seite spielte der Koch von einem benachbarten Imbiß Bingo um Geld. Unter dem Vordach eines schon geschlossenen Ladens kauerte reglos ein Obdachloser mit schwärzlichem Gesicht. Ein Mädchen mit blaßrosa Lippenstift, gerade mal ein Teenager, kam in meinen Laden und bat mich, Jumping Jack Flash von den Rolling Stones zu spielen. Als ich die Platte auflegte, begann sie, mit den Fingern zu schnippen und mit den Hüften zu wackeln. Schließlich schnorrte sie mich um eine Zigarette an. Ich gab ihr eine Lark aus dem Päckchen meines Chefs, die sie mit Genuß rauchte. Als die Platte zu Ende war, verschwand sie wort- und grußlos. Etwa alle Viertelstunde ertönte eine Krankenwagen- oder Polizeisirene. Drei etwa gleich betrunkene Büroangestellte schrien einem hübschen langhaarigen Mädchen in einer Telefonzelle »Hallo, Pflaume« zu und lachten sich halbtot.
    Je länger ich zusah, desto verwirrter wurde ich. Was sollte das alles nur? Was hatte es zu bedeuten?
    Mein Chef kam vom Abendessen zurück. »He, Watanabe«, sagte er. »Weißt du was? Vorgestern abend hab ich’s mit der Tussi aus der Boutique getrieben.« Er hatte schon seit längerem ein Auge auf ein Mädchen geworfen, das in einer Boutique in der Nähe arbeitete. Ab und zu hatte er ihr eine Platte aus dem Laden geschenkt.
    »Aha, Glückwunsch«, sagte ich, worauf er mir sein Abenteuer bis in alle Einzelheiten schilderte. »Wenn du es auf eine wirklich abgesehen hast«, riet er mir stolz, »mußt du ihr Geschenke geben und sie ganz allmählich besoffen machen. Und dann kannst du’s mit ihr treiben. Ganz einfach, oder?«
    Immer noch verstört, stieg ich in die Bahn und fuhr zum Wohnheim. Dort zog ich die Vorhänge zu und löschte das Licht. Als ich im Bett lag, hatte ich das Gefühl, Naoko könnte sich jeden Augenblick neben mich legen. Mit geschlossenen Augen spürte ich die weiche Schwellung ihrer Brüste, hörte ihr Flüstern und glitt mit meinen Händen über ihren Körper. Im Dunkel meines Zimmers kehrte ich noch einmal in ihre kleine Welt zurück, roch den Duft des Grases und lauschte dem nächtlichen Rauschen des Regens. Ich sah Naokos nackte, ausdrucksvolle Schönheit im Mondlicht vor mir, stellte mir vor, wie sie in ihrem gelben Cape das Vogelhaus säuberte und im Garten arbeitete. In meinen Gedanken ganz bei Naoko, umfaßte ich meinen erigierten Penis und masturbierte. Danach hatte sich meine Anspannung etwas gelegt, aber trotz meiner Müdigkeit konnte ich noch immer nicht

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