Naokos Laecheln
mir. Dann würdest du mich ganz langsam ausziehen. Unheimlich zärtlich. Wie eine Mutter ihr kleines Kind, so behutsam.«
»Hmm«, machte ich.
»Ich fühle mich wohl und ganz entspannt. Doch auf einmal… ›Tōru, hör auf‹, rufe ich. ›Ich hab dich sehr gern, aber ich bin mit jemand anderem zusammen. Ich kann das nicht. Das wäre nicht anständig, also hör auf Bitte!‹ Aber du hörst nicht auf.«
»Aber ich würde aufhören«, wandte ich ein.
»Weiß ich doch. Aber in meiner Phantasie ist es anders«, erklärte Midori. »Dann zeigst du ihn mir, also, deinen Ständer. Ich halte mir sofort die Augen zu, aber ich sehe ihn trotzdem ganz kurz. ›Hör auf, hör auf, ich will so ein großes, hartes Ding nicht!‹ rufe ich.«
»Er ist gar nicht so groß. Eher Durchschnitt.«
»Egal, das hier ist doch Phantasie. Also weiter. Nun machst du ein so niedergeschlagenes Gesicht, daß ich Mitleid bekomme und dich trösten will. ›Ist ja gut, du armer Kerl.‹«
»Und das würdest du jetzt gern machen?« sagte ich ziemlich entgeistert.
»Genau.«
»O, Mann.«
Nachdem wir jeder fünf Wodka Tonic getrunken hatten, verließen wir das Lokal. Als ich zahlen wollte, gab mir Midori einen Klaps auf die Finger, zog einen völlig unzerknitterten Tausend-Yen-Schein aus dem Portemonnaie und beglich die Rechnung. »Ist schon gut. Ich hab gerade mein Honorar vom Verlag gekriegt. Und ich hab dich eingeladen«, sagte Midori. »Aber wenn du natürlich so ein eingefleischter Chauvinist bist, der sich von einer Frau nicht einladen lassen kann…«
»Nein, wirklich nicht.«
»Außerdem habe ich dir ja auch nicht erlaubt, ihn reinzustecken.«
»Weil er so groß und hart war«, sagte ich grinsend.
»Genau.«
Ein bißchen angetrunken, verfehlte Midori eine Stufe, und fast wären wir die Treppe rückwärts wieder runtergefallen. Als wir ins Freie traten, hatte sich der Himmel, der bedeckt gewesen war, aufgeklärt, und die Straßen waren vom milden Licht der Abendsonne beschienen. Midori und ich schlenderten durch die Stadt. Irgendwann sagte Midori, sie wolle jetzt auf einen Baum klettern, aber leider gab es in Shinjuku keine geeigneten Bäume, und der Kaiserliche Garten war bereits geschlossen.
»Schade, Bäumeklettern ist meine Leidenschaft«, sagte sie.
Also machten wir einen Schaufensterbummel, und bald kam mir das Großstadttreiben schon nicht mehr so unwirklich vor wie noch vor ein paar Stunden.
»Gut, daß ich dich getroffen habe«, sagte ich. »Dadurch habe ich mich wieder ein bißchen an diese Welt gewöhnt.«
Midori blieb stehen und sah mir in die Augen. »Stimmt, dein Blick ist wieder klar. Siehst du? Es tut dir gut, mit mir zusammen zu sein.«
»Zweifellos.«
Um halb sechs sagte Midori, sie müsse allmählich nach Hause, um das Abendessen vorzubereiten. Ich wollte mit dem Bus zurück ins Wohnheim fahren und brachte sie zur U-Bahn-Station.
»Weißt du, was ich jetzt gern machen würde?« fragte Midori, bevor wir uns trennten.
»Ich hab nicht die blasseste Ahnung.«
»Du und ich, wir müßten von Piraten gefangengenommen werden. Dann würden sie uns nackt aneinanderfesseln, Brust an Brust.«
»Warum denn das?«
»Es wären eben perverse Piraten.«
»Selber pervers«, gab ich zurück.
»In einer Stunde werfen wir euch ins Meer, also amüsiert euch, solange ihr könnt, würden sie sagen, und uns in den Lagerraum werfen.«
»Und dann?«
»Dann amüsieren wir uns eine Stunde. Wälzen uns umher und machen alle möglichen Verrenkungen.«
»Und das würdest du jetzt am liebsten machen?«
»Genau.«
»O Mann«, sagte ich kopfschüttelnd.
Midori holte mich am Sonntagmorgen um halb zehn ab. Ich war gerade erst aufgewacht und hatte mir noch nicht einmal das Gesicht gewaschen, als jemand gegen meine Tür hämmerte und schrie: »He, Watanabe, eine Frau für dich!« Ich ging runter in die Halle, wo Midori in einem unglaublich kurzen Jeansrock mit übereinandergeschlagenen Beinen saß und gähnte. Alle, die auf dem Weg zum Frühstück an ihr vorbeikamen, starrten auf ihre schlanken, langen Beine. Sie hatte wirklich sehr hübsche Beine.
»Bin ich zu früh?« fragte sie. »Du bist wohl gerade erst aufgestanden.«
»Könntest du eine Viertelstunde warten, bis ich mir das Gesicht gewaschen und mich rasiert habe?«
»Ich warte gern, aber jeder starrt hier auf meine Beine.«
»Was hast denn du gedacht? Wenn du in so einem kurzen Rock in ein Wohnheim für Männer kommst, glotzen natürlich alle.«
»Macht nichts.
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