Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
war ziemlich lustig. Die andere, wo der Typ wollte, dass du ihm mit einem Textmarker deine Telefonnummer auf den Schwanz schreibst - weniger. Und ich weiß immer noch nicht genau, warum dieser eine Junge dir den Ahornsirup in die Hand gedrückt hat. Um ehrlich zu sein, mag ich dich in echt lieber als in den ganzen Geschichten.«
»Das ist komisch. Ich hab die Naomi-Version von mir nämlich immer sehr gemocht. Ich finde mich immer viel interessanter, wenn sie Geschichten über mich erzählt.«
»Hmm, vielleicht irrst du dich da«, sage ich.
Und er schaut mir in die Augen und sagt: »Hmm, vielleicht.«
Wir sitzen nebeneinander auf dem Boden. Es fühlt sich nicht so an, als ob die Luft zwischen uns vor Elektrizität knistern würde. Aber es ist auch nicht so, als gäbe es überhaupt keine sexuelle Spannung. Es ist wie... ein normaler, lebendiger Augenblick. Wie im richtigen Leben.
»Und was macht dich zum Mutanten?«, frage ich.
»Also«, sagt er, »mein Schädel ist aus Titan. Ich verfüge über die Fähigkeit, Gedanken zu lesen und Wasser zu teilen. Ich kann meinen linken Arm unsichtbar machen, wenn ich blaue Kleidung trage. Ich brauche jede Nacht nur eine Stunde Schlaf. Und ich habe ebenfalls eine dritte Brustwarze.«
»Dein Schädel ist aus Titan?«
Er beugt sich vor. »Ja. Willst du mal fühlen?«
Und die Elektrizität ist plötzlich da. Starkstrom. Wie ein Schock. Dann das Erstaunen, dass so etwas passieren kann. Ich berühre seine Haare, streiche ihm über den Kopf. All die zerbrechlichen unzerbrechlichen Teile.
Meine Hände in seinen Haaren, meine Finger, die seinen Schädel betasten. Ich weiß, dass das nicht Liebe ist.
Aber ich habe Angst davor - und staune -, dass daraus Liebe werden könnte.
Ich wünschte mir, mein Herz wäre auch aus Titan.
Ein Titanen-Herz.
Naomi
DER MORGEN DANACH
Vielleicht sitze ich hier auf einer Bank im Washington Square Park, ganz nah dran am Pulsschlag im Herzen der Stadt, die nie schläft. Vielleicht sitze ich tatsächlich hier, es gibt mich und ein paar Jogger und ein paar Pendler, die zu ihrerhetzen, und die Junkie-Schnorrer, und wir alle teilen den Blick auf die Sonne, die über dem Empire State Building und Midtown in der Ferne aufgeht.
Aber ich kenne den Unterschied. Alle anderen sind nur Gespenster. Ich existiere hier ganz allein. Vom Schicksal angespült. Weil ich es so will. Einsam und verlassen.
Ich bin wie Kolumbus. Ich habe diese Insel entdeckt. Sie gehört mir. Ich erkläre sie hiermit zu meinem Eigentum.
Vielleicht war diese Bank, auf der ich hier inmitten meiner Insel sitze, die Bank, auf der Ely und ich nach den Partys immer noch abgehangen haben, bevor wir früh am Morgen nach Hause gegangen sind. Es war einmal auf dieser Bank, vor langer, langer Zeit, da legte er meinen Kopf auf seinen Schoß und strich mir über die Haare (oder es war umgekehrt), und wir schufen uns unsere kleine private Insel, wo wir wie in einem Schwebezustand die Zeit verstreichen ließen, bevor wir in den Albtraum zurückkehrten, den unsere Eltern veranstalteten. Wenn die eine Seite unserer Gleichung nicht beschlossen hätte, meinen Freund zu küssen, wäre diese Bank im Naomi & Ely-Paralleluniversum der Ort gewesen, wo Ely mich in diesem Augenblick zu einem Morgenschlummer überredet hätte, fürsorglich eine Decke über mich breitend und jeden Typen anfahrend, der es wagen würde, mich mit gierigen Augen anzustarren. (Natürlich würde ich denselben Fuck-off-Blick auch all den schwulen Jungs zuwerfen, die aus ihren Clubs auf dem Weg nach Hause wären und Ely anlächelten. Ich kann prächtig knurren. Ich bin nicht völlig ohne Talente.)
(Vielleicht hat Ely die Männer, die mich angestarrt haben, gar nicht angefahren. Vielleicht hab ich mir das nur gewünscht.)
Fühlt es sich so an, wenn man sich scheiden lässt - das totale Versagen? Es ist schon über ein Jahr her, dass Dad bei uns ausgezogen ist, aber erst jetzt verstehe ich, warum Mom nur dann aus dem Bett aufsteht, wenn sie es wirklich muss. Sie muss die offiziellen Papiere erst noch einreichen, aber das Wort - Scheidung - kriecht und krabbelt wie ein Nachtmahr über die Laken ihres Ehebetts, in das sie sich geflüchtet hat. Mom weiß, dass die anderen Wörter - Ehebruch, Trennung - schon bei ihr angekommen sind. Das Wort Scheidung wird es auch noch tun, wenn es so weit ist.
Ich wache über ihr Bett. Bis jetzt.
Als zwischen unseren Eltern die Hölle losgebrochen ist, haben Ely und ich uns am Wochenende oft in sein
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