Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
in New York City und den Vororten. Jedes Jahr halten sie ein großes Treffen ab und vergleichen ihre gebrochenen Herzen.
Wie lange warten sie normalerweise in solchen Situationen auf ihn? Eine Stunde? Zwei? Die ganze Nacht?
Ich weiß noch nicht mal, ob ich überhaupt Jungs mag.
Tja. Aber hier bin ich.
Ich lege mich auf den Boden. Schließe die Augen. Ich kann aus einem Zimmer einen Fernseher hören - vielleicht bei seinen Müttern, vielleicht aus der Wohnung drunter. Wenn ich sie hören kann, hören sie mich dann auch? Im Augenblick bin ich nichts als Herzklopfen und Gedanken. Weder unterwegs noch angekommen. Dazwischen.
»Du hättest dich auch aufs Bett legen können.«
Ich öffne die Augen und Ely beugt sich lächelnd über mich. So verdammt sexy, dass ich nicht anders kann - ich will ihn und fürchte mich und wehre mich dagegen und will ihn trotzdem.
»Wie spät ist es?«, frage ich. Bin ich eingeschlafen? Bin ich wirklich wach?
»Ich war nur zehn Minuten weg«, antwortet er. »Hast du mich vermisst?«
Ich sag es einfach. »Ja.« Ohne Umschweife.
Bitte lass das kein Spiel sein. Bitte lass das kein Spiel sein. Wenn das nämlich ein Spiel ist, weiß ich, dass ich verlieren werde.
Ich setze mich auf und er setzt sich neben mich. Sein Atem riecht nach Orbit. Er wirkt ein bisschen traurig, aber er versucht, es vor mir zu verstecken.
»Wo ist Naomi?«, frage ich.
»Sie ist ohne mich gegangen. Mit Bruce dem Ersten im Schlepptau.«
Das ist eine Sensation. Eine Riesennachricht. Wenn man zwei Leute voneinander trennt, die normalerweise wie ein Atomkern miteinander verschmolzen sind, gibt es eine Explosion.
Doch Ely will nicht darüber reden.
»Ich seh schon, du hattest was zum Lesen«, sagt er, neben das Bett deutend.
»Der Wahnsinn«, sage ich.
Ich betrete das Land der Bonus-Punkte.
»Du hast was für X-Men übrig?«, fragt er. Und schiebt damit was auch immer zwischen ihm und Naomi geschehen sein mag beiseite, um mit mir zusammen zu sein.
»Machst du Witze?«, sage ich. »Als ich neun war, hab ich eine Anmeldung losgeschickt, weil ich unbedingt auf Xaviers Schule gehen wollte. Brief geschrieben, Briefmarke draufgeklebt, in den Briefkasten gesteckt, alles was dazugehört. Ich hab keine Antwort gekriegt, aber im nächsten Jahr hab ich es wieder versucht. Und wieder und wieder.«
»Sie hatten ihre Schwulenquote wahrscheinlich schon erfüllt.«
Ich fühle mich etwas unwohl, als er das sagt - er scheint nicht zu merken, wie neu dieses Terrain für mich ist.
»Ich glaub nicht, dass ich das damals in den Brief geschrieben habe«, antworte ich dann. »Aber, na ja, die hatten bestimmt ihre Wege, das rauszufinden.«
Ely schaut mich an. Und es fühlt sich so an, als würde er mich berühren.
»Und welche Eigenschaften hast du noch, die dich zum Mutanten machen?«, fragt er.
Manchmal ist Anziehungskraft das einzige Wahrheitsserum, das man braucht. »Ich weiß nicht«, beginne ich. Aber ich weiß es und ich erzähle es ihm auch. »Ich fürchte mich vor der Zahl sechs. Ich habe eine mikroskopisch kleine dritte Brustwarze, die mich im Mittelalter zu einer Hexe gemacht hätte. Ich kann meine Zunge rollen. Ich kann keine Frisbee-Scheibe werfen, egal wie sehr ich mich bemühe. Ich vermeide rote Lebensmittel.«
»Auch Essen, in dem nur ein bisschen Rot vorkommt?«
»Nein. Nur wenn es ganz rot ist. Pizza ist okay, Tomaten allein nicht.«
Er nickt ein weises Nicken. »Verstehe.«
Ich bin glücklich, dass er mich versteht. Aber noch viel lieber wäre mir, er würde spüren, wie gerne ich ihn jetzt sofort küssen würde.
Stattdessen sagt er: »Naomi hat mir nie erzählt, dass du ein Mutant bist.«
Naomi.
Das laute Geräusch, das man da gerade hört, ist meine Stimmung, die in den Keller fällt.
»Wo ist sie hingegangen?«, frage ich. »Keine Ahnung.« Er hört sich genervt an, als er das sagt - vielleicht sogar gekränkt. Doch dann verdeckt er das schnell hinter einem: »Hat mir gut in den Kram gepasst. Ich bin viel lieber hier mit dir.«
Ich weiß nicht, warum, aber ich frage ihn: »Ist das wirklich wahr?«
Ely schüttelt den Kopf. »Mann, was musst du bloß von mir halten. Ich will mir das gar nicht ausmalen.«
»Naomi hat mir alle möglichen Geschichten erzählt«, sage ich.
»Da bin ich mir sicher«, sagt er. »Haben sie wenigstens was getaugt?«
»Nicht wirklich«, erkläre ich. »Okay, die eine Story, wo der Kerl in der B-Bar vor dir auf die Knie gefallen ist und >Don’t You Want Me< gesungen hat,
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