Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
hochzieht.
»Hier«, sagt Ely, und bevor ich noch etwas dagegen unternehmen kann, hat er seine Hose aufgeknöpft und den Bund seiner Unterhose so weit vorgezogen, dass der Türsteher einen Blick darauf werfen kann.
»Nicht schlecht«, sagt der Türsteher zu Ely. »Du hast Glück, mein Junge.« Dann guckt er mich an und sagt: »Du auch.«
Als ich an ihm vorbeigehe, gibt er mir einen Klaps auf den Hintern.
Das hat mir gerade noch gefehlt.
Ely strahlt, als hätte er gerade den ersten Preis in einer Fernsehshow gewonnen.
»Das hättest du nicht machen müssen.« Ich kann nicht anders, ich muss es sagen.
»Keine Sorge. Hat mich nichts gekostet.«
Und da wird mir klar, dass ich hätte sagen sollen: Das hättest du nicht machen sollen. Nicht dass irgendwas falsch dran war - es ist sein Schwanz, er kann mit ihm machen, was er will. Er kann ihn allen möglichen Leuten zeigen. Nur so im Vorübergehen. Aber es fühlt sich für mich so an, als hätte er mir eben eine neue Seite von sich gezeigt, damit ich sie kennenlerne, und ich fühl mich unwohl damit. Ich bin nicht der Typ Junge mit einem Freund, der einem Fremden seinen Schwanz zeigt. Das weiß ich. Und er hat sich selbst gerade bewiesen, dass er der Typ Junge ist, der einem Fremden seinen Schwanz zeigt. Und er ist noch nicht mal betrunken.
Deshalb.
Ergo.
Erg.
Arrrgh.
Uuuuuh.
Wir sind jetzt auf total verschiedenen Pisten unterwegs, unser Abend verläuft in zwei getrennte Richtungen. Er nach oben. Ich nach unten. Der Club ist gepackt voll und der DJ peitscht harte House-Remixes der normalerweise sanften Lilith-Stücke durch den Raum. Ely liebt es, liebt es - ich weiß das, weil er laut ruft: »Ich liebe das - liebe das!« Er holt sich einen Fiona Appletini an der Bar und ich mir auch, aber aus einem anderen Grund - er, um sich ins Getümmel zu stürzen, ich, um das Getümmel zu überstehen.
Mein Freund ist der Knaller. Andere Jungs kommen rüber, um ihn anzubaggern. Manche davon, das spüre ich genau, hatten früher schon mal Flirtkontakt mit ihm, aber Ely hat sich nicht mal ihre Namen gemerkt. Während er mit ihnen spricht, hält er meine Hand. Normalerweise würde mir vor lauter aufgeregtem Mein-mein-mein-Gefühl ganz schwindlig werden, aber jetzt fühle ich mich, als sollte ich am besten sagen: Nein, nein, nein, kümmer dich nicht um mich, mach ruhig, was du willst, und hab viel Spaß dabei, aber ich geh nach Hause und hock mich vor die Glotze.
Schon komisch, denn ich muss gerade daran denken, wie gut Naomi diese Situation gekannt haben muss. Obwohl sie beim Flirten ja wenigstens mithalten konnte. Meine eigenen kümmerlichen Versuche reichen da noch nicht mal an Pantomime ran.
Ich möchte Ely beiseitenehmen und fragen: Wer bist du? Und: Warum hatten wir noch keinen Sex miteinander? (Im gleichen Bett geschlafen? Ja. Der erste, zweite, dritte Schritt? Alles da gewesen. Aber der letzte Schritt? Nein.) Und: Warum bist du mit mir zusammen? Aber ich habe eine solche Angst davor, bedürftig zu klingen. Und es stinkt mir, dass es kein aktives Wort für bedürftig gibt - aber vielleicht könnte man »willig« neu definieren? - Und das war der Augenblick, in dem er plötzlich ganz willig nach mir war. »Tut mir leid«, sagte ich, »aber du hast ein paar ernste Willigkeitsprobleme.« - Vielleicht habe ich gerade Willigkeitsprobleme. Ich will gehen. Ich will mit ihm allein sein. Ich will der Typ Junge mit einem Freund sein, der einem Fremden seinen Schwanz zeigt - ein einziges Mal, damit sie beide in einen Club reinkommen. Ich will dafür cool genug sein. Ich will diese Gedanken aus meinem Kopf verbannen - alle Gedanken - und meinen Spaß haben. Aber Ely kann meiner Willigkeit nicht einfach seinen Schwanz unter die Nase halten und sie damit vertreiben.
Ich fühle mich wie ein Mutant unter Mutanten. Wie der Junge, der in Xaviers Schule für besonders begabte Jugendliche aufgenommen wurde - und dann plötzlich feststellt, uuupps, dass er überhaupt keine Supermannkräfte hat.
Ich hab genug davon, immer so uncool zu sein. Verpass mir einen neuen Kleidungsstil, schenk mir einen coolen Freund, lass die anderen sogar ab und zu über einen meiner Witze lachen - aber dann macht meine Angst mal wieder alles kaputt.
Die House-Lilith-Version endet und die Bühnenshow beginnt. Die Moderatorin ist eine Drag Queen, die sich Sarah McLocklips nennt, und sie bittet als Erstes ein paar Freiwillige für einen improvisierten Opening Act auf die Bühne - offensichtlich ist Paula
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