Napoleon Bonaparte. Biographie.
die Koalition auflösen.
Wahr ist freilich auch, daß im Unglücksfall der Feind schon Anfang Juli nach Frankreich gezogen wird, das heißt gegen zwei Monate früher, als er von selbst dahin kommen würde. Aber darf Napoleon nach seinem Triumphzuge vom Golf Juan bis Paris an seiner Armee zweifeln und eine Niederlage voraussetzen?
Von seinen 180+000 Mann muß der Kaiser ein Vierteil verzetteln, um Bordeaux, Toulouse, Chambéry, Belfort, Straßburg zu besetzen und die Vendée, diesen alten, durch Hoche und Kleber schlecht ausgeschnittenen politischen Krebs, im Zaum zu halten. Es verbleiben ihm daher nur 125+000 Mann, die er von Philippeville bis Maubeuge zusammenzieht. Freilich hat er 200+000 Feinde vor sich, aber wenn er nur noch sechs Wochen wartet, so hat er auf einmal ganz Europa auf dem Leibe. Am 12. Juni reist er von Paris ab, am 14. verlegt er sein Hauptquartier nach Beaumont, wo er inmitten von 60+000 Mann lagert, indem er 16+000 Mann auf seinem rechten Flügel gegen Philippeville und 40+000 Mann auf seinem linken gegen Solre an der Sambre wirft. In dieser Stellung hat Napoleon vor sich die Sambre, rechts die Maas, links und im Rücken die Wälder von Avesne, Chimay und Gedine.
Der Feind seinerseits steht zwischen der Sambre und Schelde und verbreitet sich staffelartig auf einem Raum von ungefähr 20 Stunden.
Die preußisch-sächsische Armee unter dem Oberbefehl Blüchers bildet die Vorhut. Sie zählt 120+000 Mann und 300 Feuerschlünde. Sie teilt sich in vier Korps; das erste, kommandiert von dem General Zieten, hat sein Hauptquartier zu Charleroi und Fleurus und bildet zugleich den Mittelpunkt; das zweite, unter dem General Pirsch, lagert in der Umgegend von Namur, das dritte, kommandiert von General Thielemann, steht an den Ufern der Maas in der Umgegend von Dinant; das vierte, kommandiert von dem General Bülow, hinter den drei ersten aufgestellt, hat sein Hauptquartier in Lüttich. So gestellt, hat die preußisch-sächsische Armee die Form eines Hufeisens, dessen beide Enden, wie wir sagten, auf der einen Seite bis Charleroi und auf der anderen bis Dinant reichen und von unsern Vorposten, eines 3, das andere nur 1+½ Stunden, entfernt sind.
Die englisch-holländische Armee Wellingtons Feldarmee bestand aus 36+000 Deutschen, 32+000 Engländern und 25+000 Holländern (nach Lettow-Vorbeck). A. d. Ü. steht unter dem Oberbefehl Wellingtons: sie zählt 104 200 Mann in 10 Divisionen, die in zwei große Infanterie- und ein Kavalleriekorps geteilt sind. Das erste Infanteriekorps befehligt der Prinz von Oranien, der sein Hauptquartier zu Braine-le-Comte hat, das zweite der Generalleutnant Hill, dessen Hauptquartier in Brüssel ist, die Reiterei endlich, die ihr Standquartier rings um Grammont hat, wird von Lord Uxbridge kommandiert. Der große Artilleriepark steht in Gent.
Die zweite Armee bietet die gleiche Stellung dar, wie die erste; nur ist das Hufeisen umgekehrt, und statt der Enden ist ihr Zentrum unserer Schlachtfront am nächsten, von der sie indes durch die preußisch-sächsische Armee vollständig getrennt wird.
Napoleon ist am Abend des 14. nur zwei Stunden von den Feinden angelangt, ohne daß sie noch die entfernteste Kenntnis von seinem Marsche haben. Über eine große Karte der Umgegend gebeugt und von Spionen, die ihm sichere Aufschlüsse über die verschiedenen Stellungen des Feindes bringen, umgeben, durchwacht er die Nacht. Nach genauer Einsicht in ihre Aufstellung berechnet er mit gewohntem Scharfsinn, daß sie bei der übergroßen Ausdehnung ihrer Linien drei Tage nötig haben, um sich zu vereinigen. Überfällt er sie unversehens, so kann er die beiden Armeen trennen und sie vereinzelt schlagen. Allererst zieht er 20+000 Pferde in ein Korps zusammen, der Säbel dieser Kavallerie soll die Schlangen mitten entzweischneiden, deren getrennte Stücke er dann sofort zertreten will.
Der Schlachtplan ist entworfen, Napoleon entsendet seine verschiedenen Befehle und fährt mit der Prüfung des Terrains und der Ausfragung der Spione fort. – Alles bestärkt ihn in dem Gedanken, daß er die Stellung des Feindes vollkommen kennt, und der Feind dagegen in gänzlicher Unwissenheit über die seinige schwebt, als plötzlich ein Adjutant des Generals Gérard im Galopp herbeisprengt. Dieser überbringt die Nachricht, daß der Generalleutnant Bourmont und die Obersten Clouet und Willoutrey vom vierten Korps zum Feinde übergegangen sind. Napoleon hört es
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