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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Musik hörte man draußen nichts davon, und am Ende beruhigten sie sich.«
    »Was brachte Doris auf den Gedanken, das Kind könnte wirklich etwas gesehen haben?«
    »Darauf kam sie erst, als Karen nicht mehr auftauchte und ich ihr die gleiche Geschichte erzählte wie den anderen: daß sie ihren Vater haßte, daß er herüberkommen wollte, um sie nach Hause zu holen und daß sie deshalb weggegangen war.«
    »Die anderen nahmen Ihnen das ab, Doris aber nicht.«
    »Nein. Karen hatte ihr erzählt, sie käme gut aus mit ihrem Vater.«
    »Und Doris hat nicht mit den anderen darüber gesprochen?«
    »Die spielten doch keine Rolle. Lenny war ein echter Idiot. Der hätte alles geglaubt. Und Mary und Sue waren Hippies und haßten ihre Eltern.«
    »Doris behielt es also für sich. Ich frage mich, warum Sie nicht von Anfang an bei der Geschichte geblieben sind, die Lowell Ihnen erzählt hatte: daß Karen sich gestritten hätte.«
    »Das war Teil der Vereinbarung. Wir sollten nichts erzählen, was ihn irgendwie mit Karen in Verbindung bringen würde. Zuerst schlug er sogar vor, wir sollten sagen, Karen wäre von ihrem Vater mißbraucht worden. Aber so weit wollte ich nicht gehen.«
    »Warum nicht?«
    »Es wirkte einfach zu dick aufgetragen.«
    Sie schaute mich an, als erwartete sie ein Lob.
    »Hat Doris mehr Geld verlangt, als ihr aufging, daß etwas nicht stimmte?«
    Sie schwieg.
    »Wieviel haben Sie ihr gegeben?«
    »Noch siebenhundertfünfzig.«
    »Und wieviel hatten Sie nach Doris’ Meinung von Lowell bekommen?« Sie zögerte wieder, also setzte ich nach: »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie finden und selbst fragen werden.«
    »Zweieinhalbtausend«, sagte sie leise.
    »Sie dachte also, ihr Anteil wäre größer als ihrer. Und wann fand sie heraus, daß Sie sie betrogen hatten?«
    »Das hat sie nie herausgefunden.«
    »Weshalb geben sie ihr dann immer noch Geld?«
    »Wer sagt, daß ich das tue? - Okay, wir geben ihr Geld, aber das hat ganz andere Gründe. Sie kommt einfach zu uns, wenn sie pleite ist. Wir spielen die Wohlfahrt für sie. Sie hat ein bestimmtes… Problem.«
    »Ihre Glücksspielerei, meinen Sie.«
    Sie wurde wieder wütend. »Verdammt noch mal, wozu brauchen Sie mich eigentlich, wenn Sie alles schon wissen?«
    »Seit wann finanzieren Sie ihre Spielsucht?«
    »Schon immer, soweit wir dazu in der Lage waren. Meistens ist es nicht so schlimm, doch manchmal hat sie Phasen, in denen sie nur säuft und spielt. Sie macht sich total fertig, und wenn es nicht anders geht, helfen wir ihr. Sie ist krank.«
    Ich dachte an die Burschen in ihrer Nachbarschaft und fragte:
    »Gewinnt sie auch manchmal?«
    »Wenn sie oft genug spielt, ist das unvermeidlich. Einmal hat sie fünfzehntausend Dollar beim Würfeln in Tahoe gewonnen - fünfzehntausend! Und am nächsten Abend hat sie alles wieder verloren, am selben Tisch. Sie tut uns einfach leid. Wir kennen sie seit unserer Kindheit.«
    »Sie alle stammen aus Malibu?«
    »Eigentlich aus Ventura. Doris ist Toms Kusine und hat auf ihn aufgepaßt, als er klein war. Sie war damals sehr nett, aber nach ihrer Heirat fingen die Sauferei und das Glücksspiel an.«
    »Wieviel haben Sie ihr über die Jahre gegeben?«
    »Ich habe es nie ausgerechnet, aber es muß eine Menge sein. Sie hätte sich wahrscheinlich längst ein Haus kaufen können, wenn sie nicht alles verpulvert hätte. Wir helfen ihr, weil sie zur Familie gehört.«
    Nun verstand ich auch, warum Doris die Sheas nicht ausstehen konnte: Sie hatte jahrzehntelang von deren Almosen gelebt.
    »Ich wüßte gern, wo sie jetzt ist.«
    »Das weiß ich nicht, wirklich nicht. Sie sagte nur, sie wolle für eine Weile verschwinden. Sie hatte Angst, Sie würden alte Geschichten aufwühlen.«
    »Fing ihre Trinkerei vor der Party an oder danach?«
    »Davor. Ich sagte doch, der Abstieg begann mit ihrer Heirat. Sie war erst siebzehn und hatte sofort zwei Kinder.«
    »Ich weiß, zwei Söhne, der eine ist in Deutschland, der andere in Seattle. - Wie heißt der in Seattle?«
    »Kevin.«
    »Kevin Reingold?« Sie nickte.
    »Wo genau ist er stationiert?«
    »Ich weiß nicht. Irgendwo in der Gegend von Seattle. - Was hab ich mit ihren Söhnen zu tun? Sie ist schließlich Toms Kusine, nicht meine.«
    Travis versuchte fieberhaft, den Karton zu öffnen, doch als ich ihm helfen wollte, brüllte er auf und warf ihn weg. Er war erst wieder glücklich, als ich ihm eine Dose Surferwachs aus dem Regal holte und auf den Schoß legte.
    »Tom setzte sie also

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