Narcopolis
nicht vom Fleck. Er steckte sich eine Charminar zwischen die Lippen und bot mir auch eine an. Probier mal, sagte er. Kein Filter, kein Menthol: verglichen mit Charminars sind Camels kacke und Gauloises was für Homos.
•••
Der Regen prasselte nieder, und ich sah Rumis hochgewachsene Gestalt vor mir, meinte sie zumindest zu sehen, also platschte ich hinterher. Nach einer Weile verlor ich jedes Zeitgefühl, hätte sonstwer sein können, und ich verirrte mich, was ja der Grund ist, warum Leute wie ich den Drogen verfallen. In ebendiesem Moment sah ich einen Mann rittlings auf einem Ölfass vorüberschippern, sah ihn mit den Händen paddeln, das Fass wie einen Wasserscooter reiten. Tropfen schlierten über meine Brille, weshalb ich ihn aus den Augen verlor, doch rührte mich die Freude in seinem Gesicht. Ein roter Doppeldeckerbus hielt an, und wir stiegen ein. In Schwaden strömte das Wasser über die rostige Außenhülle. Vom Oberdeck war der Blick sagenhaft, als schaute man sich einen Dokumentarfilm an. Der Himmel dunkel wie jemandes Veilchen. Kühe standen im Wasser, zu verwirrt, um sich zu rühren. Vor einem Kino sprühten gerissene Stromkabel Funken. Fußgänger traten bedächtig auf die Schwellen in der Straßenmitte. Sie gingen in langer, unterbrochener Reihe und trugen Kisten, kaputte Regenschirme und Plastiktüten voller Strandgut. Kaum sahen sie den Bus kommen, rannten einige los, um ihn zu erreichen, andere blieben stehen, wo sie waren. Wir stiegen in der Grant Road aus und machten uns auf den Weg zu Hijde ki Galli. Geschäfte und Restaurants hatten geöffnet, doch unter der Brücke, wo die dichte Menge der Käufer gewöhnlich kein Durchkommen erlaubte, war kein Mensch, bloß Bambusgerüste in der Flut, an nichts befestigt.
•••
Die Playhouse Lodge war früher ein Theater gewesen, drei Stockwerke, spitzes Dach, gotische Bögen, Türmchen, ein großspuriger kolonialer Name. Aber Englisch geriet außer Mode, und bald war das Playhouse nur mehr unter der phonetischen Variante
Pilahouse
bekannt, was übersetzt
Gelbhaus
heißt, eine sinnlose Bedeutung. Heute war es bloß noch dem Namen nach eine Lodge; es gab keine Zimmer mehr, und wer dort wohnte, erwartete weder Service noch saubere Bettwäsche. Hierher hatte sich Rashid zurückgezogen, nachdem seine Opiumräume in der Shuklaji Street endgültig geschlossen worden waren. Die Treppe, die zum Pilahouse hinaufführte, war aus grobem Holz, die Bretter verzogen, die unteren Stufen vom Wasser überspült. Ein halbes Dutzend Männer stand dicht zusammengedrängt am oberen Ende. Es wimmelte vor Fliegen und stank nach der Toilette nebenan. Rumi wollte sich vordrängen, der Mann am Kopf der Treppe aber gab seinen Platz nicht auf. Er hielt sich gebeugt in Mandrax-Manier und brabbelte wie ein Baby. Moment mal, sagte er, wart seinen Schiss ab, kapiert? Er sagte: Willste was, warteste, klar? Rumi griff um ihn herum und hämmerte an die Tür. Es folgte ein Wortwechsel, Rumis Worte rasch, monoton, die vom Mandraxmann heiser und langsam vorgebracht.
»Wir warten also darauf, dass der Afrikaner scheißt, hab ich dich richtig verstanden?«
»Ja«, sagte der Mandraxmann und lachte lautlos. »Das Garad steckt ihm im Arsch, und er wartet schon den ganzen Tag darauf zu scheißen.«
»Das ist ja so was von widerlich.«
Rumi verzog das Gesicht, traf aber keine Anstalten zu gehen.
»Der Shit ist in der Scheiße, deshalb warten wir?«
»So kommt er her. Wie mit Mulis.«
»Eher wie mit afrikanischen Eseln.«
»Willste offizielle Gesundheitswarnungen? Alles ordentlich und organisiert, Ernährungswerte auf der Packung und Mindesthaltbarkeitsdatum? Und wenn der Stoff nicht wirkt, gehste zum Verbraucherschutz, sammelst Unterschriften gegen den Dealer?«
Das war für den Mandraxmann eine lange Rede, und sie ließ Rumi verstummen, wenn auch nur für einen Augenblick. Er hüstelte in die Faust, rieb sich die Hände und sagte: Als ich noch klein war, hab ich mal einen Schwarzen gesehen. War in meiner Schule, ein Austauschschüler aus Nigeria. Dreckig wie ein Affe. Vor Schreck habe ich gekotzt. Als ich dann in LA gewohnt habe, konnte ich jede Menge von denen sehen und hab gelernt, nicht mehr zu kotzen. Hab gelernt, ein Mann von Welt zu sein. Aber nicht mal in LA , und du kannst mir glauben, da gehen jeden Tag ziemlich verrückte Sachen ab, nicht mal da also habe ich in einer Schlange drauf gewartet, dass ein Schwarzer endlich scheißt.
•••
Dieses beschissene Land,
Weitere Kostenlose Bücher