Narcopolis
Brüder sein oder Vettern; selbst ihre Schnurrbärte sind sich ähnlich. Bring eine Frau mit, sagte der Dealer. Hast du gar nichts gelernt? Zeig Shakoor eine Frau, irgendeine, kann auch eine deiner Huren sein, und Shakoor zieht dir die Lines, als gäbe es sie umsonst. Der Zuhälter sagte was Unverständliches, dann schloss er die Augen und nickte ein. Der Dealer musterte ihn eine Weile, dann wandte er sich zu Rumi um und sagte auf Englisch: Verdammte Zuhälter, wenn’s nicht um Muschis geht, haben die einfach keinen Ehrgeiz. Sag Fotze, sagte Rumi, nicht Muschi. Nur Muschis sagen Muschi. Was?, fragte der Dealer. Glaubst du, ich kenne den Unterschied zwischen Muschi und Fotze nicht? Habe ich dir je von meiner Zeit in LA erzählt, wollte Rumi wissen. Klar, sagte der Dealer, hast du. Du kommst aus einer guten Familie, bist in den Staaten zur Schule gegangen und hast eine Limo gefahren, bist nicht immer ein Garaduli gewesen. Aber habe ich dir schon von der Sängerin erzählt?, fragte Rumi. Weiß nicht, antwortete der Dealer. Was für eine Sängerin? Nun, dann hör zu, lass mich von der Sängerin erzählen.
•••
Ich fuhr eine Limo, nicht nur irgendeine Limo, sondern eine maßgefertigte Stretchlimousine, erzählte Rumi dem Koks-Dealer, dessen Namen er nicht kannte, obwohl sie schon öfter miteinander Geschäfte gemacht hatten. Manchmal brachte ich Filmproduzenten oder Leute aus dem Musikbusiness zum Flughafen, und die zogen ihre Koks-Lines, tranken Cognac, so dass ich dachte, yeah, diese Typen wissen zu leben. Oder ich fuhr abends Partygirls, zugedröhnte Bräute, die im Wagen zusammenklappten und so stoned waren, dass sie mit jedem fickten. Manchmal war ich tagelang unterwegs, hielt mich wach mit Speed. Mit einem Satz frischer Wäsche im Kofferraum machte ich Fuhre um Fuhre, schlief am Flughafen auf dem Parkplatz und blieb die ganze Zeit high. Das war meine Lehrzeit, Mann. Nein, sagte der Zuhälter, das war besser als jede Lehrzeit, du hast gefickt und wurdest gefickt. Stimmt, sagte Rumi, zum ersten Mal in deinem Leben hast du verdammt nochmal hundert Prozent recht: Es war besser als jede Lehrzeit. Einmal habe ich eine vom Flughafen abgeholt, ältere Frau, so um die dreißig. Wir fahren zu ihr, aber dann ändert sie ihre Meinung. Sie kam gerade von einem Konzert in New York und war immer noch zu aufgedreht. Sie wollte runterkommen. Sind Sie Musikerin?, frage ich. Ja, antwortet sie, Sopranistin, Koloratursoubrette. Ich singe Opern. Oper, dachte ich, fuhr weiter und sagte dann: Hören Sie, ich weiß, das ist jetzt viel verlangt, aber vielleicht könnten Sie mir was vorsingen. Ich meine, ich war noch nie in einer Oper. Ich konnte sie im Rückspiegel sehen, sah den Blick in ihrem Gesicht, reines Mitleid, da sie nicht fassen konnte, dass es Menschen auf der Welt gab, die noch nie eine Oper gehört hatten. Sie stellt den Drink ab, macht einige Atemübungen und sagt: nein, das gehe nicht, sie könne nicht im Sitzen singen. Also erwidere ich, kein Problem und öffne das Schiebedach. Aber sie braucht einen Muntermacher, das waren ihre Worte, einen Muntermacher für die Nase. Ich fahre sie zu diesem Laden, den ich kenne, irgendwo in East Venice, und wir gehen in ein Haus ohne Möbel, nur eine durchgesessene Couch, Pitbulls im Hof, das volle Programm. Die Sängerin setzt sich und pfeift sich alles rein, was ihr geboten wird, Shit, Koks und Whisky. Später fragt sie: Glaubst du an Geister? Sie auch nicht, sagt sie, bis vor kurzem jedenfalls, seitdem findet sie, Geister sind ein Trost, vielleicht der einzige Trost für die Hinterbliebenen. Dann langt sie nach meinem Schwanz und bläst mir einen auf der Couch, überall zugedröhnte Kids, bläst, als würde sie zum ersten Mal einen Schwanz blasen und kann gar nicht glauben, wie gut es ihr gefällt. Oder als würde sie jemandem einen blasen, der gerade gestorben ist, einen, der aber noch nicht völlig hinüber ist, und sie versucht, ihn mit aller Macht im Land der Lebenden zu halten. Oder als würde sie an der Zukunft lutschen, sie einen Tag um den anderen in sich aufsaugen, Tage, die zu erleben sie nie erwartet hatte, Tage, die mit der nächsten Windbö verschwänden, wenn sie nicht mit aller Zärtlichkeit, voller Hingabe und Eifer bliese. Ist dir schon mal so einer geblasen worden, fragte er den Zuhälter. Der lachte. Und was ist mit dir?, fragte Rumi den Dealer. Ist dir schon mal so einer geblasen worden? Der Dealer erwiderte nichts, und Rumi bestellte Thums Up, in einem Glas,
Weitere Kostenlose Bücher