Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Narkosemord

Titel: Narkosemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
gehalten hätte. Das weiß ich einfach. Es waren nicht die Fakten, die ihn in den Abgrund stürzten. Und Schuld war es ganz gewiß nicht. Chris hatte genau wie Sie keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Es war der plötzliche Zusammenbruch des Selbstvertrauens, der Schaden, den das Bild seiner selbst genommen hatte - deshalb hat Chris Selbstmord begangen. Die Leute ahnen nicht, wie empfindsam sogar die tüchtigsten Ärzte auf eine solche Klage reagieren. Ja, je besser der Arzt ist, desto schmerzlicher ist es. Die Tatsache, daß die Klage unbegründet ist, hat damit nichts zu tun.«
    »Sie haben ja so recht«, sagte Jeffrey. »Damals, als ich hörte, daß Chris sich umgebracht hatte, da war ich verblüfft. Ich wußte, was für ein Mensch und was für ein Arzt er war. Jetzt wundert es mich überhaupt nicht mehr. Im Gegenteil, in meiner momentanen Lage wundert es mich, daß sich nicht mehr Ärzte, die wegen eines Kunstfehlers verklagt wurden, dazu hinreißen lassen. Ehrlich gesagt, ich hab’s gestern abend versucht.«
    »Was versucht?« fragte Kelly scharf. Sie wußte, was Jeffrey meinte, aber sie wollte es nicht glauben.
    Jeffrey seufzte. Er konnte sie nicht ansehen. »Gestern abend habe ich versucht, Selbstmord zu begehen«, sagte er schlicht. »Ich war drauf und dran zu tun, was Chris getan hat. Sie wissen schon, der Trick mit dem Succinylcholin und dem Morphium. Ich hatte die Infusion schon angelegt.«
    Kelly ließ die Teetasse fallen. Sie sprang auf, packte Jeffrey bei den Schultern und schüttelte ihn. Er erschrak. Damit hatte er nicht gerechnet.
    »Wagen Sie nicht, so etwas zu tun! Denken Sie nicht mal daran!«
    Sie funkelte ihn an und hielt weiter seine Schultern umklammert. Schließlich murmelte er, sie brauche sich keine Sorgen zu machen; er habe ohnehin nicht den Mut gehabt, die Sache zu Ende zu führen.
    Kelly schüttelte ihn wieder, als sie das hörte.
    Jeffrey wußte nicht mehr, was er tun, und erst recht nicht, was er sagen sollte.
    Kelly schüttelte ihn mit flammender Leidenschaft. »Selbstmord ist nichts Mutiges«, erklärte sie erbost. »Er ist das Gegenteil. Selbstmord ist etwas Feiges. Und er ist selbstsüchtig. Er verletzt jeden, den Sie zurücklassen, jeden, der Sie liebt. Sie müssen mir versprechen, daß Sie mich sofort anrufen, wenn Sie noch einmal Selbstmordgedanken haben - egal, um welche Tages- oder Nachtzeit es sein sollte. Denken Sie doch an Ihre Frau. Daß Chris Selbstmord beging, hat solche Schuldgefühle in mir hinterlassen - Sie können es sich nicht vorstellen. Ich war niedergeschmettert. Ich hatte das Gefühl, ich hätte ihn irgendwie im Stich gelassen. Ich weiß jetzt, daß es nicht stimmt, aber sein Tod ist trotzdem etwas, worüber ich niemals ganz hinwegkommen werde.«
    »Carol und ich lassen uns scheiden«, platzte Jeffrey heraus.
    Kellys Miene wurde sanfter. »Wegen dieses Prozesses?«
    Jeffrey schüttelte den Kopf. »Wir hatten es schon vor, ehe das alles losging. Carol war nur so freundlich, es vorläufig aufzuschieben.«
    »Sie Ärmster«, sagte Kelly. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie man gleichzeitig mit einem Kunstfehlerverfahren und einer zerbrochenen Ehe fertig werden soll.«
    »Meine Eheprobleme sind noch meine geringsten Sorgen«, erwiderte Jeffrey.
    »Aber es ist mein Ernst: Sie müssen mir versprechen, daß Sie mich anrufen, bevor Sie irgendeine Dummheit begehen«, sagte Kelly.
    »Ich denke ja nicht mehr an…«
    »Versprechen Sie’s mir!« beharrte Kelly.
    »Also schön, ich versprech’s«, sagte Jeffrey.
    Zufrieden erhob sich Kelly und wischte den Tee auf, den sie verschüttet hatte. Während sie die Scherben der Tasse einsammelte, sagte sie: »Ich wünschte mir mehr als alles in der Welt, daß ich auch nur den kleinsten Hinweis auf seine Pläne gehabt hätte. Gerade noch war er kämpferisch und sprach davon, daß die Anästhesiekomplikation die Folge einer Kontamination des Lokalanästhetikums gewesen sei - und im nächsten Augenblick war er tot.«
    Jeffrey beobachtete sie, als sie die Porzellanscherben wegwarf. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis er ihre letzten Worte begriffen hatte. Als sie sich wieder setzte, fragte er: »Wie kam Chris auf die Idee, das Lokalanästhetikum sei kontaminiert gewesen?«
    Kelly zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Aber er war richtig aufgeregt, als er von dieser Möglichkeit sprach. Ich habe ihn ermutigt. Vorher war er deprimiert gewesen. Sehr deprimiert. Aber der Gedanke an eine Kontamination gab

Weitere Kostenlose Bücher