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Narkosemord

Titel: Narkosemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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der Überschrift »Nachteilige Reaktionen« hatte er gelesen, daß gelegentlich zusammengezogene - myotische - Pupillen beobachtet wurden. Das war Jeffrey neu. Außer bei Patty Owen und bei Henry Noble hatte er es im klinischen Zusammenhang noch nie gesehen oder gelesen. Es gab keine Erklärung für den physiologischen Mechanismus. Im selben Artikel hieß es dann, daß zumeist eine Mydriasis - Erweiterung - der Pupillen zu beobachten sei. An dieser Stelle gab Jeffrey die Frage der Pupillengröße vorläufig auf. Das alles verstärkte im Augenblick nur seine Verwirrung.
    Als der Bus unvermittelt unter der Erde verschwand, ließ das Geräusch Jeffrey aufschrecken. Er riß die Augen auf und stieß einen leisen Schrei aus. Es war ihm nicht bewußt gewesen, wie nervös er war. Er begann tief und gleichmäßig zu atmen, um sich zu beruhigen.
    Nach einer Weile kehrten seine Gedanken zu seinem Fall zurück. Er sah plötzlich, daß es noch eine Parallele zwischen Owen und Noble gab, die er bisher nicht bemerkt hatte: Henry Noble war in der Woche, die er noch gelebt hatte, gelähmt gewesen. Es hatte ausgesehen wie eine totale, irreversible Spinalanästhesie. Da Patty gestorben war, konnte man natürlich nicht wissen, ob sie ebenfalls eine Lähmung davongetragen hätte. Aber das Kind hatte überlebt und zeigte deutliche Restlähmung. Man hatte angenommen, daß diese Lähmungserscheinungen auf Sauerstoffmangelversorgung des Gehirns zurückzuführen seien, aber Jeffrey war da jetzt nicht mehr so sicher. Die merkwürdige asymmetrische Verteilung hatte ihm von Anfang an Kopfschmerzen bereitet. Vielleicht war diese Lähmung ein zusätzlicher Hinweis, der bei der Identifizierung des Kontaminans nützlich sein könnte.
    Jeffrey stieg an der Park Street aus und ging die Treppe hinauf. Er machte einen weiten Bogen um mehrere Polizisten und eilte die Winter Street hinunter; das verkehrsreiche Park-Street-Viertel blieb hinter ihm zurück. Unterwegs überlegte er ein wenig ernsthafter, wie er ins Boston Memorial Hospital gelangen sollte.
    Für den Gedanken, sich bei der Putzkolonne zu bewerben, sprach einiges, aber es gab auch ein Problem dabei: Um sich um eine Stellung zu bewerben, benötigte er einen Ausweis sowie eine gültige Sozialversicherungsnummer. Im Zeitalter der Computer konnte er nicht damit rechnen, daß er sich mit einer erfundenen würde durchmogeln können.
    Er plagte sich noch mit dem Ausweisproblem, als er in die Straße einbog, in der sich das Essex befand. Einen halben Block weit vor dem Schnapsladen - der noch offen war - blieb er plötzlich stehen. Vor seinem geistigen Auge sah er den Mann in dem abgerissenen Anzug. Sie mußten beide etwa die gleiche Größe und das gleiche Alter haben.
    Jeffrey überquerte die Straße und betrat das Grundstück neben dem Schnapsladen. Eine Straßenlaterne warf reichlich Licht auf die Fläche. Ein paar Meter weiter stieß er auf einen Betonvorsprung, der von einem Nachbargebäude hereinragte und aussah wie eine alte Laderampe. Unter dieser Rampe erkannte er ein paar Gestalten; einige hockten am Boden, andere lagen.
    Als Jeffrey stehenblieb und die Ohren spitzte, konnte er sie reden hören. Er überwand seine Vorbehalte und ging auf die Gruppe zu. Behutsam setzte er seine Füße auf die zerbrochenen Ziegelsteine. Der faulige Geruch ungewaschener Menschen attackierte seine Sinne. Die Unterhaltung brach ab. Feuchte Augenpaare spähten ihm im Halbdunkel entgegen.
    Jeffrey kam sich vor wie ein Eindringling in einer fremden Welt. Mit wachsender Beklommenheit hielt er Ausschau nach dem Mann in dem abgerissenen Anzug; sein Blick wanderte rasch von einer dunklen Gestalt zur anderen. Was würde er tun, wenn diese Männer sich plötzlich auf ihn stürzten?
    Jeffrey sah den Mann, den er suchte. Er saß zwischen den anderen im Halbkreis. Jeffrey zwang sich, weiterzugehen. Niemand sprach. Erwartungsvolle Spannung lag in der Luft wie eine elektrische Ladung; es war, als könne ein Funke eine Explosion auslösen. Alle Augen verfolgten ihn jetzt. Sogar ein paar von denen, die auf der Erde gelegen hatten, saßen nun aufrecht und starrten ihn an.
    »Hallo«, sagte Jeffrey matt, als er vor dem Mann stand. Dieser rührte sich nicht. Die anderen ebensowenig. »Kennen Sie mich noch?« fragte Jeffrey. Er kam sich albern vor, aber er wußte nicht, was er sonst sagen sollte. »Ich habe Ihnen vor einer Stunde ein bißchen Kleingeld gegeben. Drüben, vor dem Schnapsladen.« Jeffrey deutete mit dem Daumen über

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