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Narkosemord

Titel: Narkosemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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gekommen. Einer stand unter der Dusche und sang eine Stevie-Wonder-Melodie; ein anderer war auf der Toilette, und ein dritter war hinter seiner Spindtür verborgen.
    Trent griff in die Tasche seiner weißen Krankenhausjacke und holte die manipulierte Marcain-Ampulle heraus. Er schloß die Finger um das Glasröhrchen für den Fall, daß unerwartet jemand auftauchte, und schob es unter den Bund seiner Unterhose. Es war kalt und unbehaglich; Trent verzog das Gesicht, als er es zurechtschob. Dann verschloß er seinen Spind und ging in den Aufenthaltsraum hinüber.
    Im Aufenthaltsraum der Chirurgie lief gerade frischer Kaffee durch die Maschine und verströmte angenehmen Duft. Pflege- und Anästhesieschwestern, ein paar Ärzte und etliche Pfleger saßen beieinander. Ihre Schicht war gleich zu Ende. Notfälle gab es keine, und sie hatten alles dienstplanmäßig für den nächsten Tag vorbereitet. Überall herrschte fröhliches Geplauder.
    Niemand nahm Trent zur Kenntnis, und er versuchte auch nicht, irgend jemandem guten Tag zu sagen. Die meisten Mitarbeiter kannten ihn nicht, weil er nicht zur Nachtschicht gehörte. Trent durchquerte den Aufenthaltsraum und gelangte in den OP-Trakt. An der Zentrale saß niemand. Der Dienstplan des Tages stand bereits an der großen Tafel. Trent blieb kurz stehen und überflog sie. Zwei Dinge interessierten ihn: Welchem OP war er zugeteilt, und waren Spinal- oder Epiduralfälle angesetzt? Zu seinem Entzücken waren es mehrere. Wieder lief ihm ein Kribbeln der Erregung über den Rücken. Daß es mehrere solcher Fälle gab, bedeutete eine gute Chance dafür, daß sein Marcain noch am selben Tag verwendet werden würde.
    Trent ging weiter den OP-Korridor hinunter in die Zentralapotheke, die sich zweckmäßig in der Mitte des OP-Traktes befand. Der OP-Komplex im St. Joe’s war U-förmig angelegt; die Operationssäle säumten die Außenseite des U, die zentrale Medikamenten- und Materialversorgung lag in der Mitte.
    Zielstrebig, als wolle er den erforderlichen Bedarf für einen der OPs abholen, durchquerte Trent den ganzen Trakt. Wie gewöhnlich war niemand da. Zwischen Viertel nach sechs und Viertel vor sieben gab es immer eine Lücke, in der die Apotheke nicht besetzt war. Zufrieden ging Trent geradewegs in den Bereich, in dem die Infusionslösungen und die nichtnarkotischen und die nicht betäubungsmittelpflichtigen Medikamente aufbewahrt wurden. Er brauchte nicht lange nach den Lokalanästhetika zu suchen; er hatte sie schon vor langer Zeit aufgestöbert.
    Er blickte sich kurz um und griff dann nach einer angebrochenen Packung mit 0,5prozentigem Marcain in 30-ml-Ampullen. Flink hob er den Packungsdeckel. Es waren noch drei Ampullen in der Fünferschachtel. Trent vertauschte eine der guten Ampullen gegen die aus seinem Hosenbund. Erneut zog er eine Grimasse; es war überraschend, wie kalt sich Glas in Zimmertemperatur anfühlen konnte. Er schloß die Marcain-Packung und schob sie wieder an ihren Platz zurück.
    Er sah sich um. Niemand war aufgetaucht. Er schaute die Marcain-Packung an, und noch einmal rieselte eine fast sinnliche Erregung durch seinen Körper. Er hatte es wieder getan, und kein Mensch würde etwas ahnen. Es war so verdammt einfach, und je nach OP-Plan und mit etwas Glück würde die Ampulle bald benutzt werden - vielleicht sogar schon heute morgen.
    Einen kurzen Moment lang erwog Trent, die beiden anderen Ampullen aus der Packung zu nehmen, um die Sache zu beschleunigen. Er konnte es nicht erwarten, das Chaos zu genießen, das er verursacht hatte. Aber er verwarf den Gedanken wieder; er war bis heute kein Risiko eingegangen, und es war keine günstige Gelegenheit, jetzt damit anzufangen. Wenn nun jemand registriert hatte, wie viele Marcain-Ampullen noch vorrätig waren?
    Trent verließ die Apotheke und kehrte in den Umkleideraum zurück, um die neue Ampulle, die er in seine Unterhose gesteckt hatte, in seinen Spind zu legen. Dann würde er sich eine schöne Tasse Kaffee genehmigen. Wenn bis zum Nachmittag nichts passiert wäre, würde er noch einmal in die Apotheke gehen, um nachzusehen, ob seine Ampulle weggenommen worden war. Wenn sie an diesem Tag benutzt werden sollte, würde er es früh genug wissen. Die Nachricht von einer größeren Komplikation verbreitete sich im OP-Trakt wie ein Buschfeuer.
    Vor seinem geistigen Auge sah Trent die Ampulle, wie sie unschuldig in der Schachtel ruhte. Es war eine Art russisches Roulette. Er verspürte sexuelle Erregung. Eilig ging er

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