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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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er wie arrangiert für ein Hochglanz-Verkaufsprospekt. Paul Wagner sah sich unwillkürlich nach dem Fotografen um, der sicher sofort hinter dem nächsten Eck hervorspringen und ihn aus dem Bild komplimentieren würde. Aber stattdessen kam der Chauffeur auf ihn und Valerie zugeeilt, hieß sie in Berlin herzlich willkommen und wirkte ein wenig indigniert, weil er keine Berge von Gepäck zu verstauen hatte. Er hielt beiden den Wagenschlag mit der Bemerkung auf, dass die Bar selbstverständlich zu ihrer Verfügung stünde.
    »Seit wann ist das Budget von Shapiro in solche Regionen vorgestoßen?«, fragte Paul und streckte sich auf einem der luxuriösen Lederfauteuils aus, während auf dem kleinen Flachbildschirm in der Rückenlehne des Vordersitzes eine Nachrichtensendung mit eingeblendeten Börsenkursen lief. »Erst der Learjet und dann dieser rollende Palast. Hier könnte man eine intime Tanzveranstaltung abhalten und hätte trotzdem noch genug Platz an der Bar.«
    Valerie griff nach den Gläsern und der gekühlten Sektflasche. »Du übertreibst schamlos, aber ich gebe zu, man könnte sich an den Luxus gewöhnen. Glaub trotzdem nicht, dass Shapiros Kriegskasse davon etwas spüren wird. Der Jet geht auf das Konto der Botschaft in Wien und der Maybach gehört sicher unserem Kontakt in Berlin.« Goldmann schenkte Paul und sich ein. »Wenn nicht, dann muss ich schleunigst mein Gehaltsschema bei der Armee überdenken.«
    Vor den Fenstern der Luxuslimousine zog Berlin fast lautlos vorüber. Die Fahrt in die Suarezstraße dauerte kaum mehr als zehn Minuten und dann bog der schwere Wagen vom Kaiserdamm ab und in eine Hauseinfahrt, die in einen begrünten Innenhof führte. Das Tor schloss sich automatisch hinter dem Maybach und der Chauffeur ließ Valerie und Paul unter der mächtigen Krone eines Kastanienbaumes aussteigen.
    »Wenn Sie mir bitte folgen würden«, murmelte der Uniformierte und öffnete eine schmale Seitentüre in der Einfahrt.
    Daniel Singer sah genau so aus, wie Shapiro ihn beschrieben hatte. Groß und hager, mit einer vollen, fast weißen und seit Jahrzehnten nur mit original ›DAX Marcel Curling Wax‹ ondulierten Haarmähne und lebhaften, grüngrauen Augen, die sein Alter Lügen straften. Der Mann, der im eleganten Anzug neben ihm stand, war noch größer als Singer, wesentlich jünger und hatte goldbraune, große Augen, die Valeries Blick wie ein Magnet anzogen. Er lächelte ein sorgloses Jungenlächeln, das die Lachfalten um seine Augen vertiefte, und schaute neugierig den Besuchern entgegen.
    »Ich freue mich, dass Sie beide so schnell kommen konnten«, meinte Singer und begrüßte Wagner und Goldmann herzlich. »Das ist Peter Marzin, mein Steuerberater und Vertrauter und außerdem der Mann, der das Dokument gefunden hat, das unseren gemeinsamen Freund in Tel Aviv so brennend interessiert.«
    Paul blickte sich in der Bibliothek um, in der Singer sie empfangen hatte, betrachtete die Regale, die bis unter die Decke reichten und mit Papieren und Mappen voll gestopft waren. »Ich wette, hier wäre noch einiges, was unser guter Oded Shapiro nur zu gerne in seinen Unterlagen hätte«, sagte er dann und Singer nickte lächelnd.
    »Aber dann bliebe mir ja gar nichts mehr«, gab der alte Sammler zurück.
    »Ja, Mr. Shapiro hat ein ziemlich einnehmendes Wesen«, ergänzte Valerie, »und wie wir alle wissen, kann er gar nicht genug Unterlagen zusammentragen. Eine Berufskrankheit …«
    »… die ich als Steuerberater nur gutheißen kann«, lachte Marzin.
    »Aber mich interessiert derzeit nur ein Manuskript, und wie es aussieht, teile ich dieses Interesse mit Mr. Shapiro.«
    »Und vielleicht noch einigen anderen«, gab Singer ernst zu bedenken. »Aber wir wollen nicht vorgreifen.« Er ging hinüber zu einem Schreibtisch, wo zwei Dokumente unter einer starken Lampe ausgebreitet lagen, und lud die anderen mit einer Handbewegung ein, ihm zu folgen.
    Zehn Minuten und eine lange Erzählung Marzins später standen die drei Männer und Valerie noch immer über die Tischplatte gebeugt und Paul rollte nachdenklich den Zylinder mit dem Wappen der Romanows über den grünen Filz.
    »Eine abenteuerliche Geschichte«, sagte er leise und blickte zu Marzin auf. »Das hätte leicht ins Auge gehen können. So viel Aufwand für ein einzelnes Stück Papier …«
    Valerie las die Transkription des Briefes, dachte an die Phantome des Zaren und an die wenigen Informationen, die Shapiro ihr am Telefon mitgeteilt hatte. Sie begann sich zu

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