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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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fragen, wie viel der Geheimdienstchef ihr diesmal wieder verschwiegen hatte. Er hatte viel geredet, aber nur wenig gesagt.
    »Dieses eine Stück Papier ist nur ein Teil eines Puzzles, das aus mindestens vier Teilen besteht«, stellte Singer leise fest und alle Anwesenden blickten ihn überrascht an.
    »Das hast du mir aber nicht gesagt, als ich dir den Zylinder gebracht habe«, meinte Marzin überrascht.
    Der alte Sammler lächelte. »Das ist unter anderem der Grund, warum unsere beiden Besucher heute hier sind«, erklärte er nachdenklich.
    Wagner fixierte Valerie misstrauisch mit gerunzelten Brauen. »So, ist er das? Seltsam, dass ich davon nichts weiß. Ich habe von einem geheimnisvollen Dokument erfahren, von einer Verschlüsselung und einer Verbindung nach Wien. Von vier Dokumenten war nie die Rede.«
    Goldmann schaute ihrerseits Singer an und wartete auf seine Erklärung.
    »Ich kenne auch nur einen Teil der Geschichte, weil Mr. Shapiro nicht gerade eloquent ist, wenn es um die Informationen geht, die er preisgeben soll.« Singer blickte Valerie an. »Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen.«
    Valerie schüttelte stumm den Kopf.
    »Wie dem auch sei«, fuhr der Sammler fort. »Wie Sie sich vorstellen und auch sehen können, beschäftige ich mich schon länger mit Dokumenten und alten Papieren. In der europäischen Archivszene, wie auf vielen anderen Gebieten, gibt es eine Liste von Dingen, von Raritäten, von verschwundenen Aufzeichnungen, die seit Jahren fieberhaft gesucht werden. Weiße Elefanten, über die man nicht auf internationalen Kongressen, sondern nur hinter vorgehaltener Hand spricht, wenn überhaupt. Vieles ist wahrscheinlich in privaten Sammlungen gelandet und das wiederzufinden ist fast unmöglich, aber vieles liegt auch noch unkatalogisiert in den Depots und Kellern oder in geheim gehaltenen Schränken der Staatsarchive.« Singer fuhr sich prüfend mit der Hand über die Wasserwellen im Haar.
    »Doch nicht alles, was von den einen gesucht wird, ist auch tatsächlich verschwunden. Vieles wird versteckt gehalten und scheint nie in den offiziellen Bestandslisten auf. Parallel dazu werden Archivbestände freigegeben, die nicht mehr unter die Datenschutzklausel fallen und das schafft einen Berg aus Papier und Anfragen, der auch wieder abgearbeitet werden muss. Mit einem Wort – gezieltes Suchen ist schon aus Personalgründen nur in den wenigsten Fällen möglich.« Singer lehnte sich auf den Schreibtisch und schaute Peter Marzin direkt ins Gesicht.
    »Und dann, dann gibt es auch so unglaubliche Fälle wie deinen, Peter, die selbst einen alten Mann wie mich überraschen können.« Er tippte auf das Pergament mit den grünen Schriftzeichen in der Mitte, das wie ein verschlüsselter Ruf aus längst vergangener Zeit war. »Einer dieser weißen Elefanten, die Archive und Sammler in halb Europa suchen, sind vier Dokumente, die der österreichische Staatskanzler Fürst Metternich angeblich selbst verfasst und dann an vier verschiedene Staatsmänner ausgehändigt haben soll. Kurioserweise haben zwei Staaten vor einigen Tagen aus ihren ›Giftschränken‹ genau jene Dokumente geholt, deren Existenz sie bisher vehement bestritten hatten.«
    Singer sah den fragenden Blick Wagners und winkte ab. »Ich habe mir im Laufe der Jahrzehnte die Loyalität sehr guter Informanten erworben, Herr Wagner, aber das sollten wir beide gemeinsam haben.«
    Der Reporter lächelte wissend. Er fing an, den alten Sammler zu mögen. »Und die beiden Staaten waren …?«
    »… Frankreich und Großbritannien«, vollendete Singer den Satz.
    »Hatte Oded Shapiro dieselben Informanten wie Sie?«, fragte Valerie neugierig und Singer verneinte lächelnd. »Nein, aber er hat mich«, sagte er dann einfach.
    »Du hast diesen Shapiro angerufen«, warf Peter Marzin ein und sein Unterton verriet, dass er nicht sehr erfreut war.
    »Ja, Peter, aber bereits bevor du mit dem Dokument aus Russland vor meiner Tür gestanden bist. Als meine Informanten mir davon berichtet haben, dass sowohl die Franzosen als auch die Briten gleichzeitig ihre Ausgabe des Dokumentes ›fanden‹, da habe ich nicht mehr an einen Zufall geglaubt und mich mit Oded beraten. Wir kennen uns seit Langem, eigentlich seit er den Posten als Leiter der Metsada angetreten hat. Ich kannte bereits seinen Vater aus der Zeit nach dem Krieg, aber das ist eine andere Geschichte.« Singer schloss die Augen und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Für einen Moment war er

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