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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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    »Bitte kommen Sie schnell, es gibt ein Problem an der Personenkontrolle im Eingangsbereich mit einer Gruppe von Männern, die sich nicht ausweisen wollen oder können. Wir haben Sicherheitsstufe rot.«
    Schumann blickte auf und schaute die beiden verwirrt an. »Soll das heißen, ich muss mein Büro verlassen?«
    »Ja, als reine Vorsichtsmaßnahme. In ein paar Minuten kann sich alles geklärt haben, aber wir wollen kein Risiko eingehen. Bitte folgen Sie uns.«
    Der Bundeskanzler schüttelte den Kopf und nahm dann aber sein Jackett von der Sessellehne und stand auf. »Wohin?«, fragte er kurz.
    »In die Kapelle des Bundeskanzleramtes«, antwortete einer der beiden. »Die wenigsten wissen, dass sie überhaupt existiert, und sie hat eine starke Holztür als einzigen Eingang. Leicht zu verteidigen.«
    »Wenn ich Ihnen zuhöre, dann glaube ich langsam, wir sind im Krieg«, meinte Schumann mit einem spöttischen Unterton, aber er ging rasch voran und die beiden Sicherheitsleute folgten ihm.
    Der Weg war kurz und die Türe der Kapelle versperrt, aber einer der Männer zog den großen Schlüssel aus der Tasche und öffnete die massive Eichentür. Mit einem leichten Quietschen schwang sie auf. Es roch nach abgestandener Luft und alten Möbeln.
    In der kleinen barocken Kapelle war es angenehm kühl. Die üppigen, blattgoldverzierten Applikationen und die beiden geschnitzten Obelisken neben dem Kreuz schimmerten matt im Halbdunkel. Graf Kaunitz, unter Kaiserin Maria Theresia als Haus-, Hof- und Staatskanzler für die Außenpolitik Österreichs zuständig, hatte die Kapelle einrichten lassen.
    »Wussten Sie, dass der Mann, dem wir die Kapelle zu verdanken haben, Mitglied der Freimaurerloge ›Zu den drei Kanonen‹ und des Illuminatenordens war?«, fragte Schumann die beiden Sicherheitsleute, die an der Tür stehen geblieben waren. »Vielleicht wollte er sich mit der Kapelle eine Rückversicherung da oben erkaufen.«
    Die Beamten schienen noch immer den Nachrichten in den Ohrhörern zu lauschen und blieben stumm.
    Schumann setzte sich in einen der wenigen Stühle und betrachtete das Kreuz mit dem Erlöser, ganz in Gold und der barocken Kirchentradition verpflichtet. Dann schaute er auf seine Armbanduhr und überlegte, wie er die nächsten Termine bis hin zum Abendempfang möglichst reibungslos aneinanderfügen könnte.
    Als er wieder aufschaute, blickte er direkt in den Lauf einer Pistole. Er sah einen Blitz, hörte noch den ohrenbetäubenden Knall und dann versank alles um ihn herum in einer ewigen Dunkelheit.
    Der Anruf, der wenige Minuten später im Bundeskanzleramt einging, erfolgte auf einer abhörsicheren Leitung der höchsten Sicherheitsstufe.
    »Status?« Die Stimme des Anrufers klang ruhig und gefasst.
    »Auftrag ausgeführt. Wie ist weiter vorzugehen?«
    »Sehr gut. Offiziell wird der Bundeskanzler wegen eines plötzlichen Herzanfalls alle Termine absagen. Er wurde deshalb in eine Privatklinik eingeliefert.« Der Mann am anderen Ende der Leitung kannte alle Antworten.
    Irgendwie war Egon Bolz froh, nicht zu wissen, mit wem er sprach. »Und die Leiche? Bisher hat niemand Verdacht geschöpft, die dicke Türe hat den Knall gedämpft …«
    »Wir kümmern uns darum.« Wieder diese ruhige, bestimmte Stimme. »Ihr Auftrag ist beendet. Gehen Sie an Ihren Arbeitsplatz zurück und verhalten Sie sich unauffällig.« Dann war die Leitung tot.
    Als Bolz den Hörer auflegte, nickte er zwei Sicherheitsbeamten zu, die daraufhin das Büro des Bundeskanzlers verließen. Er ließ sich in den schwarzen, gepolsterten Armsessel sinken und legte beide Hände flach auf das nussbraune Holz des Schreibtisches. Als die Sekretärin durch einen Spalt in der Tür schaute, stand er auf, nickte auch ihr zu und verließ das Büro wortlos durch den anderen Eingang. Die Würfel waren gefallen. Jetzt galt es die Nerven zu behalten.
    Friedhöfe Südwestkirchhof, Stahnsdorf/Deutschland
    D ie Fahrbahn war eine »Straße der zufriedenen Bürger«, wie man in der ehemaligen DDR gesagt hätte. Eine sadistische Verbindung zwischen altem Kopfsteinpflaster und zahllosen Schlaglöchern, die in unregelmäßigen Abständen auftauchten, beim Fahrer eines Fahrzeuges unweigerlich bestätigendes Kopfnicken hervorriefen und so tief waren, dass Paul Wagner vorsichtig große Bögen um sie herum fuhr.
    Paul versuchte vergeblich eine Geschwindigkeit zu finden, die das Rütteln auf ein Mindestmaß reduzieren würde. »Die Kawasaki fällt uns bald auseinander,

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