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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Mohren. Deine unschätzbaren Aufzeichnungen, die langen Schatten des Schwarzen Bureaus, würden morgen das Chaos ausbrechen lassen und Europa destabilisieren, und das wusstest Du nur zu gut. Aber sei unbesorgt. Wir behalten die Trümpfe im Ärmel und spielen weiter. Noch ist nichts verloren. Die Türe zu Deinem Grab ist fest verschlossen und vermauert, niemand wird Dich stören.
    Und jetzt adieu, Balthasar. Es wird Zeit für mich, die Koffer zu packen und zu gehen. Nichts hält mich mehr, es ist für alles gesorgt. Das Übrige liegt in Gottes Hand.
    Dein ergebener Freund
    Metternich«
    Es war, als wehte ein Lufthauch aus einer längst vergangenen Epoche durch den Raum. Die drei Männer blickten nachdenklich auf den Brief, der lange nach dem Tod des Adressaten zugestellt und vermutlich der bereits verwesten Leiche in den Frack gesteckt worden war.
    »Ich weiß nicht, wie ihr denkt, aber für mich geht aus dem Schreiben sehr viel Zuneigung hervor.« Burghardts Stimme war ehrfürchtig. »Da schreibt jemand einen Brief an seinen toten Freund, bevor er das Land verlässt. An jemanden, der bereits vor langer Zeit gestorben war und der ihm trotzdem sehr viel bedeutet haben musste.«
    »Metternich? Sprechen wir von dem berühmten Metternich? Dem Kanzler, der den Wiener Kongress einberief?« Berner schaute Georg fragend an.
    »Gut aufgepasst, Bernhard, dein Geschichtslehrer wäre stolz auf dich.« Sina las nochmals den letzten Absatz. »Die langen Schatten des Schwarzen Bureaus …«, murmelte er, »das Schwarze Bureau …«
    »Was war das Schwarze Bureau?« Burghardt konnte seinen Blick nicht von dem Skelett losreißen.
    »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Georg, »das ist nicht meine Zeit. Es gibt jede Menge Informationen in diesem Brief und ich brauche meine Bibliothek in Grub, um Genaueres sagen zu können. Kann ich das Schreiben bis morgen haben?«
    »Kein Problem«, sagte Burghardt, »es hat nichts mit der polizeilichen Untersuchung zu tun. Ich würde euch vorschlagen, wir schieben den Deckel der Stufe wieder an seinen Platz und warten, bis Georg Näheres herausgefunden hat.«
    »Ich frage mich, wie ein Schreiben von Metternich ausgerechnet hier in die Tasche eines Zwerges kommt«, brummte Berner.
    »Na ja, weit gehen musste der Kanzler nicht, wenn er es ihm persönlich brachte«, meine Georg und steckte das Papier vorsichtig in die Innentasche des schwarzen Jacketts, das inzwischen zerknittert und durchgeschwitzt war.
    Berner sah ihn überrascht an. »Wieso?«
    »Wisst ihr das nicht? Es passt alles zusammen, die Spinnen, der Ort … Der Kanzler hat hier gewohnt, mehr als vierzig Jahre lang. Das Gebäude der Schule Sacré-Cœur war sein Stadthaus, sein Palais. Das Palais Metternich.«

Buch 3
Der Zwerg

Bundeskanzleramt, Ballhausplatz, Innere Stadt, Wien/Österreich
    D ie Männer in den dunklen Anzügen und mit dem Knopf im Ohr, die den österreichischen Bundeskanzler Richard Schumann bewachten, waren nervöser als sonst. Der Mord an Innenminister Fürstl und Wirtschafts- und Familienministerin Panosch steckte allen in den Knochen und eine hektische Betriebsamkeit war der entspannten Stimmung gewichen, die zu Beginn der Finanzministerkonferenz noch vor zwei Tagen geherrscht hatte.
    Die üblicherweise eher symbolische Bewachung des Bundeskanzleramts am Wiener Ballhausplatz, in Sichtweite der Hofburg und des Rathauses, war noch im Laufe der frühen Morgenstunden durch zusätzliche Polizeieinheiten verstärkt worden. Uniformierte mit schusssicheren Westen und Maschinenpistolen hatten vor dem doppelflügeligen Eingangstor ihre Posten bezogen, die Personenkontrollen waren schon beim Betreten des Gebäudes verschärft worden. Zusätzlich hatte eine private Sicherheitsfirma einen Durchgangsscanner aufgestellt, der von Spezialisten bedient wurde und keinen noch so kleinen metallischen Gegenstand tolerierte.
    Durchsuchungen der Besucher durch erfahrene Beamte standen am Ende der Sicherheitskette, die ab sofort jeder zu durchlaufen hatte, wenn er nicht einen der roten, kreditkartengroßen Pässe vorweisen konnte. Diese eingeschweißten und fälschungssicheren Dokumente mit Hologramm wurden ausschließlich an die persönliche Wachmannschaft des Bundeskanzlers ausgegeben. Die Handvoll Männer, vor mehr als zwölf Jahren aus der Sondereinheit WEGA ausgesucht, waren keine Neulinge in dem Geschäft. Sie hatten einige Kanzler kommen und gehen gesehen, kannten sich gegenseitig seit Langem und machten die Dienstpläne untereinander

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