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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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gern«, antwortete der Wissenschaftler und zog ein dicht beschriebenes Blatt aus seiner Aktentasche. Dann kam er um den Tisch herum, nahm im Vorbeigehen eines der Dokumente mit und legte es vor dem Minister auf den Sitzungstisch.
    »Der siebenzeilige Text, den Sie vor sich sehen, enthält zwei gleiche Zeilen, die erste und die letzte. Der Verfasser der Verschlüsselung wollte damit auf ihre Wichtigkeit hinweisen und wichtig sind sie in der Tat – sie sind der Schlüssel zum Text, der aus den restlichen fünf Zeilen gebildet wird. Die Zeile

    – übrigens die Inschrift des Pestkreuzes aus Nussdorf ob der Traisen
– ist der Schlüssel zum gesamten Text. Wir können also die erste und die letzte Zeile abziehen und erhalten fünf Zeilen tatsächliche Nachricht:
    QTEOILUNPKWMTJWWRZLWTFMOS
VDNXLE4SHETVTHCSRSEKEGEQA
ESVRCSMFUKWIBZOHRDUNETQTE
PDRVWNNFWUZZSFEAEQ2DIHNDS
SNNWXRETLTYARZVDLFRWGOEQA
    Wenn Sie genau schauen, dann haben alle Zeilen die gleiche Anzahl an Buchstaben, inklusive der ersten und letzten, also des Schlüssels. Damit und angesichts der Zeit der Entstehung kommt als gängige Methode nur das Quadrat von Vigenère in Frage, damals eine übliche Vorgehensweise.«
    Der Kryptologe sah die verständnislosen Gesichter und holte weiter aus.
    »Das Quadrat von Vigenère ist ein einfaches Buchstabenquadrat, beginnend mit A und fortlaufend bis Z, sowohl waagrecht als auch senkrecht. Je kürzer der Schlüssel ist, desto öfter werden sich Buchstaben wiederholen. Je länger er ist, desto schwieriger wird es.«
    Er klopfte auf das Dokument vor ihm.
    »Hier kommt dazu, dass es im Schlüssel sieben Kreuze gibt, die in verschiedener Art interpretiert werden könnten. Wir haben jedoch herausgefunden, dass die Kreuze die Funktion einer Null hatten, was heißen soll, dass der Buchstabe unverändert aus dem Originaltext übernommen wurde.«
    Die Gruppe beugte sich über die dunkelgrün geschriebenen Zeilen.
    »Das würde aber heißen«, stellte einer von ihnen fest, »dass der erste
    Buchstabe im Originaltext ein Q wäre.«
    »Völlig korrekt«, lächelte der Wissenschaftler, »es ist ein Q.«
    »Aber welches deutsche Wort beginnt mit Q?«, wunderte sich der Mann, »abgesehen von Quelle und quasi …«
    »Wer hat behauptet, dass es sich um Deutsch handelt?«, gab der Wissenschaftler zurück. »Die gängige Diplomatensprache im 19. Jahrhundert war Französisch und da gibt es jede Menge Worte, die mit einem Q beginnen.«
    Die Runde schwieg und schaute fasziniert auf das Dokument. Schließlich sagte einer von ihnen: »Und was heißt jetzt der entschlüsselte Text genau?«
    Der Kryptologe legte die Finger aneinander und rezitierte aus dem Gedächtnis:
     
    »Que la lumière se fera le temps
venu De 4 rayons clarté se fera
et vous menera aux preuves que
personne pourra nier 2 lignes
sont presents Quelle regnera?
    Oder sinngemäß übersetzt:
    Dass das Licht scheine, wenn die Zeit gekommen ist.
Aus vier Strahlen wird die Klarheit entstehen
Und wird Euch bis zu den Beweisen führen,
die keiner mehr verleugnen kann. Zwei Linien
sind vorhanden. Welche wird regieren?«
    »Sie wollen sagen, dass die beiden Zahlen ebenfalls in das Rätsel mit eingebaut waren?«, fragte einer aus der Gruppe erstaunt.
    Der Wissenschaftler nickte. »Ja, die Vier und die Zwei, die übrigens in einer perfekten Symmetrieachse stehen, waren Teil des Rätsels. Vier Strahlen und zwei Linien. Die Zahlen standen jeweils an der siebenten Stelle. Die Vier von vorne und die Zwei von hinten gezählt. Und falls es Ihnen noch nicht aufgefallen sein sollte, gibt es sieben Kreuze in der Inschrift des Kreuzes aus Nussdorf.« Er blickte in die erstaunten Gesichter der Männer, die langsam zu begreifen schienen.
    »Wer immer dieses Dokument verschlüsselt hat, er hat sein Handwerk verstanden. Es gab überall Querverbindungen und er hat keine einzige ausgelassen.« Er fuhr mit seiner Hand fast zärtlich über das alte Papier. »Kryptografie ist angewandte Mathematik. Ich will Ihnen noch ein Beispiel geben, an dem Sie die Kunst der Verschlüsselung erkennen können. Die Inschrift des Kreuzes besteht aus achtzehn Buchstaben und sieben Kreuzen. Ergibt zusammen fünfundzwanzig Stellen. Nun, jede Zeile des kodierten Dokumentes hatte fünfundzwanzig Zeichen. Und der Text wiederum sieben Zeilen, so viele wie Kreuze in der Inschrift.«
    Der Minister winkte ab. »Danke, ich glaube, wir haben alle jetzt verstanden, dass die Verschlüsselung von jemandem mit messerscharfem Verstand

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