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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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holt und zusammentreibt, ohne viel zu fragen. Aber wir werden jede Menge Fragen stellen, weil wir in den letzten Tagen zu oft an die Falschen geraten und ziemlich sauer sind. Ich habe mir meine Pension etwas anders vorgestellt. Ruhiger und besinnlicher nämlich und ohne vergiftete Milchkartons in meinem Kühlschrank.«
    »Dann wird es am besten sein, Sie machen sich endlich auf den Weg, Berner. Die Antworten kann ich Ihnen liefern, ob sie Ihnen gefallen, weiß ich nicht. Und was Ihre ruhige Pension betrifft: Sollten wir bis 16:00 Uhr nicht sehr viel weiter sein als bisher, dann wird es höchstwahrscheinlich keine Pension mehr geben. Es ist jetzt 11:30 Uhr und ich erwarte euch alle noch vor zwölf in meinem Büro.« Damit legte Sina senior auf und ließ eine verwirrte Runde zurück.
    »So weit zum Thema väterliche Autorität«, seufzte Georg.
    »Wir sollten uns auf den Weg machen, bevor er uns verhaften lässt«, grinste Valerie.
    »Porsche oder Mazda?«, warf Paul in die Runde und ging seine Lederjacke holen.
    »Porsche«, antwortete Valerie wie aus der Pistole geschossen.
    »Mazda«, sagte Georg bestimmt, »ich will ordentlich sitzen können und nicht Rücksitzbankyoga betreiben, und Tschak ist meiner Meinung. Die mitfahrende Mehrheit hat entschieden …«
    Der Pizza Expresss röhrte wenige Minuten später aus der Halle wie eine startende Rakete. Valerie hatte mit einem ergebenen Gesichtsausdruck das Steuer übernommen, Paul hielt sich vorsorglich fest und Georg umklammerte Tschak, der neugierig aus dem Seitenfenster auf die vorbeifliegende Landschaft blickte.
    Bei der ersten roten Ampel, die Valerie ignorierte, schlossen Georg und Paul gleichzeitig resigniert die Augen.
    Lycée français de Vienne, Alsergrund, Wien/Österreich
    D ie französische Schule in Wien war ein Überrest des Zweiten Weltkrieges und der nachfolgenden Vierteilung der Stadt an der Donau. Russen, Franzosen, Engländer und Amerikaner hatten zehn Jahre lang ihre Truppen in Wien stationiert und erst 1955, anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages, hatte der letzte fremde Soldat Österreich verlassen. Um aber den Söhnen und Töchtern der Besatzungssoldaten in dieser Zeit eine angemessene Schulbildung in den jeweiligen Landessprachen zu ermöglichen, richtete jede der vier Großmächte eine Schule ein, die vom Kindergarten bis zum Abitur reichte.
    Die Franzosen errichteten, in Ermangelung eines passenden Gebäudes, gleich einen ganzen Schulkomplex auf einem Grundstück in der Liechtensteinstraße, schräg gegenüber des gleichnamigen Palais. Der graue, U-förmige Bau aus Beton war funktional, riesengroß und das gelungene Beispiel eines Nutzbaus im Stil der Nachkriegsarchitektur.
    Nach dem Abzug der Soldaten stellte sich heraus, dass durchaus Bedarf an einer Privatschule mit französischem Bildungssystem in Österreich bestand. Während die russische und englische Schule schließen mussten, wurde das Institut in Wien-Alsergrund weitergeführt, als eine Art Eliteschule und Speerspitze der Kultur von La Fontaine und Molière, von Rimbaud und Verlaine.
    In der Mittagspause, in der entweder in einem riesigen Speisesaal gegessen wurde oder aber die Kinder aus den umliegenden Wohngegenden nach Hause essen gehen konnten, kehrte für kurze Zeit Ruhe in den langen Fluren ein. Um 14:00 Uhr wurde der Unterricht wieder aufgenommen und ging dann bis in die späten Nachmittagsstunden, für manche Schüler sogar bis in den Abend.
    Elisabeth Mantler, von ihren Freundinnen Sissi genannt, ging die Einfahrt des Lycées hinunter und schlüpfte an der Schranke vorbei auf die Liechtensteinstraße. Dabei winkte sie dem Portier zu, der sie seit Jahren kannte. Die aufgeweckte Zwölfjährige mit einem Talent für Sprachen und Mathematik, eine eher ungewöhnliche Kombination, war bei allen beliebt. Sie liebte Jeans und Johnny Depp, Shakira und Salsa, kurze Röcke und ihre langen, roten Haare. Sie hatte die Sommerkurse, die das Lycée zusätzlich zum Lehrplan anbot, mit Begeisterung wahrgenommen. Aber sie verbat sich die Bezeichnung »Streberin« entschieden …
    Sissi schaute sich kurz nach ihrer Freundin Saskia um, aber die war wieder bei einer Gruppe Jungs hängen geblieben. Das würde länger dauern, das wusste Elisabeth, und wandte sich zum Gehen. Sie war hungrig und heute hatte ihre Mutter versprochen, Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat zu kochen, eine von Sissis Lieblingsspeisen. Es war also keine Minute zu verlieren und so nahm das schlanke Mädchen seine

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