Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
Vom Netzwerk:
Dokumente Jauerlings, deren er habhaft werden konnte, und deponierte sie in einer Schatulle mit der Aufschrift ›R.I.O.U.‹.«
    »Republik in Österreich-Ungarn!«, rief Sina bestätigend aus. »Ich erinnere mich dunkel daran, etwas gehört zu haben. Was passierte mit dem Kästchen?«
    »Nach Rudolphs Tod übergab die Gräfin Larisch die Schatulle Erzherzog Salvator, einem Verbündeten und Vertrauten des Kronprinzen. Salvator trat daraufhin aus dem Erzhaus aus und versank als Kapitän Johann Orth mit Mann und Maus in den Fluten vor Kap Hoorn.«
    Werfling drehte sich unvermittelt um und machte sich auf den Rückweg, während er weitersprach. »Das Kästchen soll sich bis heute im Besitz der Familie Habsburg-Lothringen befinden. Man munkelt, es sei sogar bis zu seinem Tod auf dem Schreibtisch von Franz Joseph gestanden.«
    »Packende Geschichte, aber gibt es Beweise?« Sina bezweifelte im Grunde seines Herzens diese Version der Ereignisse.
    Werfling lachte auf. »Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf!«
    »Ich glaube dir ja«, beruhigte ihn Sina, blickte auf die Uhr und drückte den Wiederwahlknopf. »Aber ich weiß immer noch nicht, wo ich nach den Senfgasgranaten suchen soll.«
    »Mach dir keine Sorgen, Georg, das erzähle ich dir beim Essen«, gluckste Werfling und ging gut gelaunt in Richtung Haus voraus, während aus Georgs Handy die Mobilboxansage von Paul Wagners Nummer flötete.
    Die Tische im Aufenthaltsraum der Station waren bereits für das Essen gedeckt. Nach einem kurzen Gespräch mit Viktoria hatte man für Georg neben Max Platz gemacht. Die Qualität der Mahlzeit überraschte Sina, aber die Angst um Paul, Berner und Valerie schnürte ihm die Kehle zusammen. Er versuchte trotzdem, ein Wiener Schnitzel hinunterzuwürgen.
    Werfling redete kein Wort. Mehrmals blickte Georg demonstrativ auf die Uhr und wartete auf eine Reaktion des Freundes. Langsam befürchtete der Wissenschaftler, Max würde nichts Genaueres wissen, aber trotzdem bluffen, um ihn noch länger hierzubehalten.
    Werfling bemerkte schließlich Georgs Blicke auf das Ziffernblatt, tätschelte ihm väterlich den Arm und meinte lächelnd: »Kommt Zeit, kommt Rat.« Dann widmete er seine ungeteilte Aufmerksamkeit wieder dem Gemüsereis auf seinem Teller.
    Georg blickte sich verstohlen um. An einem der nächsten Tische saßen Männer und Frauen, die mit spitzen Fingern die Speisen auf ihren Tellern in ihre Bestandteile zerlegten und so innerhalb weniger Sekunden das appetitlich angerichtete Abendessen in ein Schlachtfeld verwandelten.
    »Leute mit Essstörungen«, erläuterte Max, der seinem Blick gefolgt war. »Kein Mensch weiß, was die da wirklich machen. Manchmal bekommen wir auch zwei Büchsen Sardinen, etwas Gemüse und drei Semmeln zum Abendbrot. Da geht es dann dort drüben richtig hoch her. Heute haben wir ja noch Glück.« Werfling grinste und schaufelte einen weiteren Berg Gemüsereis in seinen Mund.
    »He! Wilhelm Tell!«, rief ein hagerer Typ von einem Tisch an der Wand herüber.
    »Einfach ignorieren«, flüsterte Max. »Der geht mir schon die ganze Zeit auf die Nerven. Irgendwer hat ihm erzählt, dass ich ganz gut im Messerwerfen bin. Du erinnerst dich noch an unsere Sessions an der Uni?« Für einen intensiven Moment fühlte sich Georg mit Max wieder ganz verbunden, erinnerte sich an früher, wie sie auf die kopierten Fotos von ungeliebten Professoren gezielt hatten. Beide lächelten verschwörerisch.
    »Trainierst du noch?«, erkundigte sich Georg beiläufig.
    Max lachte laut auf. »Sehe ich aus, als ob mir noch jemand ein Messer in die Hand drückt?«
    »Nein, wenn ich ehrlich bin«, schmunzelte Georg und schielte auf sein Handy.
    »Wilhelm Tell! Wilhelm Tell!«, feixte der Mann am anderen Ende des Raumes weiter. »Hol dir das Apferl! Oder traust du dich nicht?«
    Der Hagere stellte sich einen roten Apfel auf den Kopf und verfiel in einen Singsang. »Wilhelm Tell, der Schisser! Wilhelm Tell, der Schisser!« Schließlich wagte er ein Tänzchen und balancierte die Frucht auf seinem Scheitel. Die anderen lachten.
    Blitzschnell sauste die Gabel mit einem sirrenden Geräusch durch die Luft und heftete den Apfel an die Wand. Es wurde totenstill im Raum und Georg hielt die Luft an. Der Spötter fror förmlich mit weit aufgerissenen Augen an Ort und Stelle fest und guckte mit offenem Mund nach oben, wo auf seinem Kopf vor Kurzem noch der Apfel gelegen hatte.
    Max zog die Brauen zusammen und erhob sich mit

Weitere Kostenlose Bücher