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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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ausgerechnet der berühmte Wiener Ziegelbaron Heinrich Drasche war der Schwiegersohn Joseph Gottfried Pargfrieders, des berühmtesten Schlossherrn von Wetzdorf!«
    »Du meinst von dem Wetzdorf, in dem wir gerade sind?«, erkundigte sich Wagner neugierig.
    Georg nickte und fuhr fort. »Und der Butler, der dir bei deiner Reportage über die Sprengung und das Zugunglück seine Telefonnummer gibt und bereit ist, dich mitten in der Nacht durch das Anwesen seiner Dienstgeber zu führen, heißt ausgerechnet Nachtigall! Findest du das nicht seltsam? Ich glaube, du stolperst gerade in eine Rekrutierungsaktion der Schattenlinie, wie es mir am Gallitzinberg passiert ist!«
    »Ich sehe zwar die Zusammenhänge, aber ich glaube eher an einen Zufall«, gab Paul zurück. »Du hörst das Gras wachsen, mein Bester.« Er klopfte seinem Freund auf die Schulter und strich Tschak über den Kopf. »Wenn wir mit den Depots durch sind, machen wir Urlaub. Das haben wir beide dann auch bitter nötig.«
    Der Reporter öffnete die Tür und stieg aus dem Wagen. Sina schlug zornig mit der flachen Hand auf das Armaturenbrett, atmete durch und folgte ihm, nachdem er den kleinen Hirtenhund an die Leine genommen hatte.
    Es war ein kurzer Weg zum Schloss und der großen Einfahrt. Nach mehrmaligem Läuten öffneten sich die Flügel der Einfahrt automatisch. Zwei große steinerne Wolfshunde wachten zu beiden Seiten über die schmale Straße und schienen kurz davor, loszubellen oder sie mit gefletschten Zähnen anzuknurren. Tschak beäugte sie misstrauisch und seine Nackenhaare stellten sich auf.
    »Nobel, nobel …« Paul warf einen Blick auf den gepflegten Park, die gekiesten Wege, die in der Kühle der Nacht Restwärme abstrahlten, und pfiff angesichts des makellosen kaisergelben Schlosses durch die Zähne. Er spazierte, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, voraus, während Sina ihm etwas langsamer folgte.
    Die Scheinwerfer, die das zweigeschossige Schloss und seinen schlanken Zwiebelturm bestrahlten, spendeten genug Licht, um auch zahlreiche Figuren aus der Dunkelheit zu reißen. Sie waren auf Steinsockeln über den Garten verteilt. Sina stutzte. Direkt zu seiner Linken spannte ein überlebensgroßer Apollon aus Bronze seinen Bogen und vor der Hauptfassade des Gebäudes überragte ein gewaltiger Herkules ein trockenes Brunnenbecken.
    »Da, siehst du?« Georg tippte Paul auf die Schulter.
    »Ein Brunnen ohne Wasser mit einem Herkules in der Mitte. Na und?« Der Reporter blieb stehen und betrachtete das Becken.
    »Jauerling und Metternich haben sich der griechischen Mythologie bedient, um ihr Geheimnis zu verschlüsseln«, sagte Sina leise. »Denk an die Technische Universität und dann wirf einen Blick um dich herum. Der Planer der Anlage hier hat es genauso gemacht.« Georg zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Figurengruppen im Garten. »Überall sind Statuen, teilweise offenbar ohne tieferen Sinn platziert, aber das täuscht. Und genau vor dem Schloss, an wichtigster Stelle, so aufgestellt, dass niemand ihn übersehen kann, der auf der Straße vorbeikommt, steht ein Herkules. Das Zeichen dafür, dass man mit ausdauernder Arbeit jedes Ziel, und sei es den Status eines Gottes, erreichen kann.«
    »Kommen Sie nur weiter, ich bin hier!«, ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Hintergrund. Georg und Paul fuhren herum und erkannten einen alten, weißhaarigen Mann, der um das Eck des Schlosses bog und auf sie zuhinkte. Tschak knurrte dem alten Mann entgegen, während Paul Wagner sein Filmstarlächeln aufsetzte und winkte. »Herr Nachtigall! Ich freue mich, Sie zu sehen! Ich hoffe, wir machen Ihnen nicht zu viele Umstände.«
    Der Butler schüttelte dem Reporter die Hand, als er vor ihm stand. »Aber nein, ganz und gar nicht, Herr Wagner.« Dann wandte er sich Sina zu und begutachtete ihn von oben nach unten. »Ich sehe, Sie haben einen Freund und einen Hund mitgebracht …«
    »Ja, ich war so frei«, antwortete Wagner lächelnd. »Darf ich vorstellen? Professor Georg Sina von der Universität Wien. Und das ist Tschak.«
    »Professor Sina, wie schön! Ich habe schon viel von Ihnen gehört«, meinte der Butler und hielt die Hand des Wissenschaftlers fest.
    Sina zuckte zusammen und zog seine Hand zurück. »Und woher, wenn ich fragen darf?«
    Nachtigall lächelte und legte seinen Kopf etwas zur Seite. Er beäugte Georg, der einen Schritt zurückgetreten war. »Durch Ihre Bücher natürlich, Herr Professor, was dachten Sie? Wissen Sie, ich interessiere

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