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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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noch, was das war?«
    Sina atmete tief aus. »Na, du kannst Fragen stellen!« Er dachte kurz nach. »Warte mal, du hast recht, da war noch was …« Er strich über seinen Bart und rief dann begeistert aus: »Aber natürlich! Da hing der Plan eines riesigen Siegesdenkmals. In grenzenlosem Optimismus hat man schon zu Beginn des Krieges 1914 eine Ausschreibung für ein Monument zu Ehren des Weltkrieges veranstaltet. Der siegreiche Beitrag wurde ausgestellt.«
    »Genau!«, stieß Paul begeistert hervor und klopfte Georg auf den Schenkel. »Ich kann mich doch auf dich verlassen! Das war es! Zwei monströse Frauengestalten und zwei Feuerschalen am Hang des Kahlenberges, die Tag und Nacht brennen hätten sollen, zum Gedenken an die Helden des siegreichen Krieges …«
    »Die Austria und die Germania, um genau zu sein. Das wäre ein scheußliches Denkmal geworden«, bestätigte Sina. »Und du meinst jetzt, wir wären in den bereits errichteten Fundamenten dieses Bauprojektes unterwegs gewesen?«
    »Ganz bestimmt!« Paul nickte und trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad. »Da haben sie die Senfgasgranaten versteckt, wie symbolisch …«
    »Nicht ganz unlogisch, vor allem, weil durch die Luftschächte der Anlage das Gas aus dem Berg geströmt und der Wind sein Übriges getan hätte, um das Teufelszeug über Wien zu verteilen … Clever. Aber da haben wir ihnen in die Suppe gespuckt.« Sina rieb sich die Hände.
    »Nur zu blöd, dass sie noch an zwei weiteren kochen …«, dämpfte Paul ein wenig Georgs Begeisterung. »Und jetzt komm, läuten wir diesen Nachtigall vom Fernseher weg. Wir wollen mehr über das dritte Versteck herausfinden.« Der Reporter öffnete die Tür und war drauf und dran auszusteigen.
    »Warte noch!«, forderte ihn Georg auf und hielt seinen Freund am Unterarm fest.
    »Was ist noch?«, fragte sich Paul verblüfft.
    »Mir gefällt die Sache hier nicht«, sagte Georg. »Erst hast du Klarheit in deine Gedanken gebracht, jetzt bin ich dran, mein Gewissen zu erleichtern.«
    »Nur zu, nur zu.« Wagner schlug die Wagentür wieder zu, faltete die Hände, blickte Sina tief in die Augen und intonierte: »Nun, mein Sohn, mit wem hast du Unzucht getrieben? Erspare mir kein schmutziges Detail, du kannst mir alles anvertrauen.«
    »Um Gottes willen!«, japste Sina. »Wie Pater Heribert aus der Schule …«
    »Gut, gell?«, grinste Paul. »Aber im Ernst, was bedrückt dich? Was gefällt dir nicht?«
    »Nachtigall, das Schloss, das alles gefällt mir nicht …«, brummte Georg und sah Wagner an. »Ich habe dir doch erzählt, dass ich auf einem komischen Fest in der Villa Ilioneus am Gallitzinberg gewesen bin. Aber ich habe dir nicht alles erzählt.«
    »Ich wusste, es wird schmutzig.« Paul nickte. »Zum Glück! Ich habe schon angefangen, mich über dich zu wundern.«
    »Nein, so meine ich das nicht. Ich war schließlich mit Irina dort«, brummte Sina, »und ich war weder der Einzige noch der Erste, der …«
    »Was hast du denn gedacht? Komm bitte zur Sache, wir müssen los!«
    »Warte! Ich meine, Arthur Schnitzler war auch in der Villa Ilioneus!« Georgs Stimme hatte einen dringlichen Ton.
    Paul plumpste zurück in den Fahrersessel. »Schnitzler? Der Schriftsteller? Warum glaubst du das?«
    »Schnitzler war Arzt und in seiner ›Traumnovelle‹ beschreibt er, wie ein Doktor des Wiener Allgemeinen Krankenhauses in der Nacht durch Wien läuft und mehr oder weniger zufällig in eine Orgie am Gallitzinberg gerät. Dieser Fridolin erlebt beinahe dasselbe, wie ich es in der Villa Ilioneus gesehen habe. Ich hab’s nachgelesen!«
    »Und weiter?« Das Interesse des Reporters war geweckt.
    »Der Freund, der diesen Fridolin in die maskierte Gesellschaft einführt, ist ein Klavierspieler mit Namen Nachtigall! Der Pianist steuert mit verbundenen Augen die Musik bei, während Männer mit verschleierten Nackten tanzen.«
    »Ich verstehe …«, murmelte Paul. »Aber das ist eine bloße Namensgleichheit. Reiner Zufall, glaub mir.«
    »Trotzdem. Die ›Traumnovelle‹ erscheint erstmals in Buchform 1926, die Handlung spielt aber früher.« Georg zeichnete Dreien auf das Armaturenbrett. »Das beweist doch, dass dieses Haus eine über hundert Jahre alte Tradition haben muss!« Er verstummte. Von irgendwo schrie ein Kauz und Tschak horchte auf. »Und dann ist da noch etwas. Die Villa ist aus demselben Material wie das Arsenal und die anderen Kasernen des Wiener Festungsdreiecks gebaut, nämlich aus doppelt gebrannten Ziegeln. Und

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