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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Fahrgäste und ihr Gepäck wurden durch die Abteile und Gänge gewirbelt wie Spielzeug.
    Der tonnenschwere Zug kam nicht sofort zum Stehen, sondern schlitterte trotz der Vollbremsung weiter auf das unheimliche, wabernde Wolkengebilde zu, das dem Lokführer jede Sicht nahm. Dicke Schweißperlen rannen über die Stirn des Mannes im Führerstand, der sich mit blutleeren Fingern festkrallte, um nicht mit dem Gesicht gegen die Windschutzscheibe gepresst zu werden. Panisch zählte er die Meter. Was auch immer da vorne geschehen war, es kam rasch näher, viel zu rasch.
    Endlich, mit einem heftigen Ruck, unter lautem Zischen und Ächzen, war der Höllenritt abrupt zu Ende. Im Zug herrschte Totenstille. Dann, nur Augenblicke später, wurde leises Ächzen und Stöhnen hörbar. Menschen rappelten sich hoch, halfen sich gegenseitig auf die Beine. Einige pressten die Hände auf stark blutende Platzwunden an Kopf und Gesicht. Der Sonntagsausflug war zum Albtraum geworden. Eine Frau begann hysterisch zu kreischen, aufgeregte Stimmen brüllten um Hilfe und nach der Rettung. Ein junger Italiener, der seinen Rucksack umklammert hielt, rannte planlos kreuz und quer und schrie unaufhörlich: »Una Bomba! Una Bomba!«
    »Blödsinn! In Österreich gibt es keine Bomben. Wir sind ja nicht auf dem Balkan«, knurrte der herbeigeeilte Zugchef und presste den Burschen in den nächsten Sitz. »Wahrscheinlich ist irgendein blödes Vieh auf die Schienen gerannt. Un toro! Toro! Comprende?«, schrie er den jungen Mann an. Plötzlich spürte der Zugchef eine Hand auf seiner Schulter und fuhr zornig herum: »Was ist!« Im nächsten Augenblick erkannte er den Lokführer und bemühte sich, vor den verstörten Fahrgästen, die ihn erwartungsvoll anstarrten, Fassung zu bewahren.
    »Ich glaube, das solltest du dir ansehen«, stotterte der keuchende und schwitzende Mann, packte den Vorgesetzten am Oberarm und zog ihn mit sich nach draußen.
    »Was ist es? Eine Kuh? Eine Fliegerbombe? Die verdammten Dinger lauern entlang der Strecke noch überall im Boden.« Auf eine Antwort wartend fixierte er den blassen Lokführer, aber der schüttelte nur stumm den Kopf und deutete zur Spitze des Zuges.
    Mit unsicheren Schritten hastete der Zugchef über den dunkelbraunen Schotter des Bahndammes die dampfenden und leise knisternden Waggons entlang nach vorne zur Lok. Im ersten Moment erkannte er gar nichts, weil sich der dicke Staub nur langsam verzog. Dann nahm er etwas weiter entfernt einen schlanken, gelben Zwiebelturm wahr und wusste im gleichen Augenblick, wo der Zug stand. Links vor ihm, das musste Schloss Kleinwetzdorf sein. Er sah genauer hin. Alle Fenster im Anwesen waren durch die Druckwelle zerborsten, sämtliche Lichter im und am Gebäude waren angegangen und das laute, durchdringende Heulen einer Alarmanlage durchschnitt den Morgen. Die Feuerwehrsirenen der umliegenden Siedlungen röhrten auf, stimmten ohrenbetäubend in den Furiengesang mit ein, in den sich die Folgetonhörner von Einsatzfahrzeugen mischten. Die ersten Blaulichter zuckten durch das Morgengrauen. Feuerwehr-, Polizei- und Rettungswagen rasten aus allen Richtungen zur Unfallstelle.
    Die drei Scheinwerfer der Lok zeichneten Lichtkegel in die bräunliche Staubwolke, und als der Zugführer weiterging, klärte sich endlich der Blick auf das Schlachtfeld vor dem Zug. Wo einmal die Bahntrasse und das gemauerte Viadukt gestanden hatten, klaffte nun ein riesiges Loch. Die abgerissenen Schienen ragten verdreht in die Luft, wie gekochte und ausgetrocknete Spaghetti. Dahinter gab es nichts mehr außer umgepflügter Erde. Schienenstücke waren durch die Explosion weit in den Wald geschleudert worden. So ein Szenario hatte der erfahrene Eisenbahner bislang nur auf Fotos aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg gesehen, als Partisanen und feindliche Pioniere Eisenbahntrassen für den Nachschub- und Truppentransport gesprengt hatten.
    Der Zugchef ließ seinen Blick über den Krater wandern und seine Gedanken rasten. Zum Glück hatte der Lokführer mit der Notbremsung Schlimmeres verhindert, redete er sich Mut zu, doch seine Augen füllten sich mit Tränen. Der Anblick der verstümmelten Strecke gab ihm das Gefühl, als habe jemand eine Wunde in sein eigenes Fleisch geschnitten.
    Schaulustige waren aus den nahen Häusern herbeigeeilt, manche noch in Pyjama oder Nachthemd, und gafften den weinenden Eisenbahner und den Zug an, der plötzlich in einer Sackgasse mitten im Nirgendwo stand.
    »Verschwindet oder helft

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