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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Monarch um und öffnete die Tür. Bevor er jedoch den Raum verließ, drehte er sich nochmals zu den beiden Männern und fixierte Jauerling, der in seiner Verzweiflung seinen Blick nicht von dem schmalen, blassen Unbekannten wenden konnte.
    »Ich war niemals Kaiser, Jauerling, vergess’ Er das nie.« Mit diesen letzten Worten drehte sich Joseph II. um, stieg die Treppe hinab und verließ den Narrenturm, den er selbst entworfen hatte. Er sollte nie wieder zurückkehren. Zwei Monate später starb er an Tuberkulose, kinderlos und allein. Nur wenige trauerten um ihn.
    Sein Begräbnis war ein Staatsakt, wie das aller österreichischen Monarchen vor und nach ihm. Der Leiter des Schwarzen Bureaus, der dem einfachen, schmucklosen Sarg trippelnd zur Kapuzinergruft folgte, wurde von einem schmalen, elegant gekleideten Mann begleitet, den niemand kannte und nach dem sich keiner zu fragen traute. Nach dem Kondukt waren der Zwerg und er spurlos verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
    Bundesstraße 1 bei Ried am Riederberg, Niederösterreich/Österreich
    W as erwarten Sie von uns, Kommissar? Ein Wunder?« Der Leiter der Spurensicherung, in kurzer Hose und einem fleckigen TShirt, das die Speisekarte von drei Grillabenden auf seiner Vorderseite trug, sah Berner fragend an. Der Anruf der Einsatzleitung in St. Pölten hatte ihn und seine beiden Kollegen von der Gartenarbeit, aus der Garage oder dem Swimmingpool geholt. Als sie gehört hatten, worum es ging, waren sie alle aus dem Haus gestürmt und hatten verärgerte Frauen und enttäuschte Kinder zurückgelassen.
    Berner schaute sich um, griff in die Tasche und zündete sich eine Zigarette an, während ihn die Männer der Spurensicherung umringten: zerwühltes Gras, Glassplitter, Reifenabdrücke, Überreste des Feuerwehreinsatzes, weggeworfene Mullbinden und meterlange Schleifspuren da, wo man das Wrack des Peugeot auf die Straße gezogen und dann auf den Lkw des Abschleppdienstes gehoben hatte. Die Rasenfläche zwischen den Bäumen neben der Straße sah aus wie ein Schlachtfeld. Paul Wagner war zwischen den Gartenzäunen der anliegenden Einfamilienhäuser verschwunden. Obwohl der Abend bereits anbrach, flimmerte die heiße Luft über der Straße. Der Verkehr nahm langsam wieder zu, viele fuhren zu einem Abendessen in einem Gastgarten oder einem Heurigen, bevor die neue Woche wieder begann.
    »Ein einziges Wunder wird zu wenig sein«, meinte der Kommissar grimmig, »was wir brauchen, ist eher eine Hexenküche mit allen Rezepten der letzten tausend Jahre.« Berner wischte sich einen Schweißtropfen von der Nase und fuhr fort. »Die Kollegen waren fleißig und haben trotzdem keine Farbreste des Unfallgegners auf dem Wrack gefunden. Seltsam, nicht? Der Leiter der Untersuchung hat mich auf der Fahrt hierher telefonisch informiert. Wie es aussieht, hat ein Wagen den Peugeot von rechts gerammt und gegen den Baum und dann gegen die Mauer geschleudert. Keine Augenzeugen.«
    Der Leiter der Spurensicherung, ein stämmiger, glatzköpfiger Familienvater, der einen voluminösen Bierbauch vor sich herschob, nahm seine Sonnenbrille ab und begann sie mit einem schmutzigen Taschentuch andächtig zu putzen. »Ich glaube, wir können hier die übliche Routine vergessen und müssen das ganz anders angehen. Ruzicka kam aus Wien, über den Riederberg und fuhr in Richtung Sieghartskirchen. Mittagszeit, Sonntag, kaum Verkehr. Niemand konnte wissen, wie lange er brauchen würde, um genau an dieser Kreuzung anzukommen. Also musste der Angreifer, wer immer es war, auf ihn gewartet haben.« Berner nickte zustimmend und die beiden anderen Beamten blickten nachdenklich hinüber zur Kreuzung.
    »Das wird er kaum mitten auf der Straße stehend gemacht haben«, meinte einer von ihnen und griff zu seinem Metallkoffer. »Ich wette, er wird sich hundert Meter weiter hinten einen Platz gesucht haben, von wo aus er den Peugeot rechtzeitig sehen konnte. Eine Ausweichmöglichkeit vielleicht, eine Einfahrt in einen Feldweg? Ich geh mal spazieren und schau mich um. Kommst du?«, meinte er zu seinem Kollegen und sie überquerten die Straße, die in der Hitze des Nachmittags zu glühen schien.
    Berner sah den beiden nach, während der Leiter der Spurensicherung noch immer hingebungsvoll seine Brille putzte und weiter laut nachdachte. »Wenn ich jemanden von der Straße drängen will, endgültig und vor aller Augen, dann werde ich es entweder mit einem gestohlenen Wagen machen oder vorher zumindest die Kennzeichen

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