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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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der gefütterten Handschuhe. In dem seltsamen achteckigen Aufbau, den außer ihm und dem sorgsam gehüteten Gefangenen bisher niemand betreten hatte, stand diesmal eine weitere dick vermummte Gestalt am Fenster, wandte dem Kaiser den Rücken zu und blickte hinaus.
    »Hier sind Majestät also drei Mal pro Woche hergekommen, wenn Hoheit Zeit dazu hatten?« Die Feststellung klang nach ungläubigem Staunen, gemischt mit einer gehörigen Portion Ekel. »Es hat selbst jetzt im tiefen Winter eine Odeur …« Der kleine Mann am Fenster verstummte und hielt sich demonstrativ ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase. Er hatte vor einigen Jahren, anlässlich der Belegung des Turmes, auf Wunsch des Kaisers einen Mann auf einen der Karren geschickt und mit einem Wink das größte Geheimnis dieses Reiches für immer hinter diesen hohen Mauern verschwinden lassen. Er erinnerte sich an den jungen Offizier, den er damals eingeschüchtert hatte. Eine Woche später war der Polizist tot gewesen. Seine Kinder hatte man in ein weit entferntes Waisenheim gesteckt und seine Frau in eines der schmutzigen Freudenhäuser am Spittelberg, was sie nicht lange überlebt hatte.
    Der kleine Mann lehnte sich schwer auf seinen Stock und versuchte, durch den Schneesturm etwas von den Lichtern der Stadt zu erkennen. Es sah aus, als seien sie weit weg von der vorweihnachtlichen Hauptstadt. Ein dunkles Nichts in einer schwarzen Welt.
    Der Kaiser hatte nicht geantwortet, schwieg, in Gedanken versunken. Vielleicht hatte er ihn auch nicht gehört. In letzter Zeit war Joseph II. rasch körperlich verfallen. Tiefe Furchen hatten sich um seinen Mund gegraben und die Augen lagen schwarz umrandet in den Höhlen. Immer wieder schüttelten ihn Hustenanfälle, immer öfter lebte der Kaiser in seinen Erinnerungen, in der Vergangenheit. Joseph hatte vieles erlebt, noch mehr erduldet. Die Emanzipation von seiner Mutter, die Verhaftung seiner Schwester Marie Antoinette sowie die brutalen und fruchtlosen Kriege gegen die Franzosen und Türken. Aber am schlimmsten hatte ihn zuletzt die Ernüchterung getroffen, dass sein Volk seine Reformen nicht wollte. Sie lebten lieber weiterhin unter der Knute der Unvernunft, von geifernden Pfaffen und eitlen Hofschranzen gegeißelt. »Alles für das Volk, nichts durch das Volk!«, war darum sein Credo geworden. Wie lange war es wohl her, dass er, der römisch-deutsche Kaiser, in der Position gewesen war, den Papst selbst zu beschämen, ihn vor den Augen des Volkes auf sich warten zu lassen …? Es schien ihm eine Ewigkeit entfernt. Dabei hatte er Mozart gehört, und Salieri … ihre göttliche Musik … und wie gerne wäre auch er ein Musikus gewesen, aber leider …
    Der kleine Mann am Fenster seufzte und schnäuzte sich unzeremoniell in das Taschentuch. Der Gefangene hatte bis heute überlebt und der Leiter des Schwarzen Bureaus wusste auch, warum.
    Und der Kaiser? Der wusste, dass er wusste, weil das seine Position mit sich brachte. Man konnte dem Zwerg im langen schwarzen Mantel nichts verheimlichen, er war das personifizierte geheime Wissen der Mächtigen. Deshalb hatte er den Kaiser nie nach dem Offensichtlichen gefragt. Manche Dinge dachte man besser nicht einmal laut, auch nicht dann, wenn man die schmutzige Arbeit für den Monarchen machte.
    »Der Mann ist lebendig begraben«, sagte der Leiter des Schwarzen Bureaus leise, wie zu sich selbst. Es gab keine Akten, keine Aufzeichnungen, keine Reports, dafür hatte er gesorgt. Es war eine Kunst, Menschen spurlos verschwinden zu lassen, eine Kunst, die er perfekt beherrschte.
    »Vielleicht sind wir es, die lebendig begraben sind«, antwortete der Kaiser mit brüchiger Stimme und der zwergenhafte Mann in Schwarz fuhr herum. Joseph II. stand zum offenen Feuer gewandt und streckte die Hände zur Glut, die nur noch schwach glimmte und kaum Wärme ausstrahlte. »Hat Er schon daran gedacht, Jauerling? Vielleicht sind alle hier herinnen wirklich frei und wir da draußen sind Gefangene unseres eigenen Lebens. Verdammt dazu, zu leben und zu wissen und trotzdem für immer zu schweigen.«
    »Majestät haben ihn nicht umbringen lassen, nicht wahr?« Ein lauernder Ausdruck lag auf Jauerlings Gesicht, das zugleich Verachtung und Mitleid ausdrückte.
    Der Kaiser schüttelte müde den Kopf. Ein Hustenanfall überkam ihn wie ein Krampf, der nicht mehr enden wollte. Schließlich keuchte er nur mehr stoßweise.
    »Er hat Majestät fasziniert.« Es war eine Feststellung. Jauerling, der

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