Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
Vom Netzwerk:
abschrauben. Ich wette, er hat einen Lkw benutzt. Das Risiko, nach so einem starken Crash nicht mehr weiterfahren zu können, wäre sonst zu groß gewesen. Höchstens ein gepanzerter Pkw…« Er ließ den Satz in der Luft hängen. Der Kommissar nickte und wartete auf die Schlussfolgerung.
    »Keine Farbreste am Auto von Ruzicka, das heißt, es war ein Lkw mit einer verchromten Stoßstange oder einer Art Kuhfänger. Nach dem Zusammenstoß muss er dann möglichst schnell die Nummerntafeln wieder angeschraubt haben, um nicht aufzufallen, sprich am nächsten Parkplatz oder irgendwo neben der Straße. Ich würde also sagen, wir machen auch einen kleinen Spaziergang und nehmen einmal an, dass er zurück in Richtung Wien gefahren ist.«
    Während sie einträchtig nebeneinander in der Hitze des ausklingenden Tages über das Asphaltband wanderten, forderte Berner telefonisch eine Liste der gestohlenen Lastwagen im Raum Ostösterreich an und fragte sich, ob der Angreifer einen Fehler gemacht oder alles bedacht hatte. Eines war ihm zumindest nicht gelungen. Ruzicka war noch am Leben und Berner war nach seinem Besuch auf der Intensivstation klar, dass die Betonung auf »noch« lag.
    Paul Wagner schaute fasziniert auf den kleinen Jungen, der im Schatten der Veranda saß und auf den grob behauenen Steinplatten spielte. Eine junge Frau in kurzen Hosen und weißer Bluse stand neben ihm und hielt dem Reporter ein Glas Mineralwasser hin. »Ich bin nach dem Mittagessen eine Stunde zu meiner Mutter gefahren und hab Jakob hiergelassen. Er spielt so gerne mit seinen Modellautos und bemerkt meist kaum, dass ich weg war«, meinte sie und lächelte, als Wagner das Glas in einem Zug leerte. »Als ich zurückkam, waren überall Einsatzfahrzeuge, alles voller Feuerwehrleute und Sanitäter und ein Hubschrauber flog in einem weiten Bogen in Richtung Donau. Ich war völlig verstört vor Angst, bis ich sah, dass es nichts mit Jakob oder unserem Haus zu tun hatte. Wollen Sie noch ein Glas?«
    Die junge Frau war bereits auf dem Weg zurück zum Kühlschrank und Wagner setzte sich zu dem kleinen Jungen auf den Boden. Jakob mochte fünf oder sechs Jahre alt sein und ließ sich nicht im Geringsten stören. Er hatte auf dem Terrassenboden ein Gewirr von Straßen mit Holzstäbchen und Bauklötzen ausgelegt und ließ seine Autos zu einem Ort rollen, den nur er kannte. Wagner erkannte Sportwagen und Oldtimer, große Sattelschlepper und Bagger, die an einer Baustelle arbeiteten, und Dutzende wartender Autos, die sich vor der Absperrung stauten.
    »Die werden sich aber nicht sehr freuen, wenn sie in der Hitze warten müssen«, meinte Paul und deutete auf die Kolonne.
    »Geht gleich weiter«, krähte Jakob, schob mit einem Bagger einen Bauklotz weg und begann die Wagen der Kolonne weiterzuschieben.
    »Hast du heute Nachmittag den Unfall auf der Straße gesehen?«, fragte der Reporter und half dem Jungen, den Bagger auf den Tieflader zu schieben. Jakob zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht. Hast du ein Eis?«
    Wagner lachte laut und zuckte seinerseits mit den Schultern. »Vielleicht …«, antwortete er und Jakob wandte sich einem Autotransporter zu, der vorwiegend teuere Sportwagen geladen hatte. Mit einem eleganten Schwung fuhr er ihn neben der Baustelle vorbei und um eine große Kurve.
    »Erst hat es ›Buumm!‹ gemacht«, sagte Jakob ernsthaft und schaute Wagner zum ersten Mal an.
    Paul las die Unsicherheit in den großen, braunen Augen und nahm sich vor, ganz behutsam zu sein. Er nickte und meinte wie beiläufig: »Das kann ich mir vorstellen, das muss dich richtig erschreckt haben. Hast du dich versteckt?«
    Jakob schüttelte energisch den Kopf, blieb aber stumm.
    »Nein? Das war aber mutig von dir. Was hast du denn gemacht?« Jakob blickte sich unsicher um, ob seine Mutter in Hörweite war. Dann sagte er leise: »Bin hingelaufen.«
    »Das sagen wir aber lieber nicht deiner Mami, hm?«, antwortete Wagner ernst und Jakob schüttelte den Kopf. »Erzählst du es mir trotzdem?«
    »Bin an den Zaun gelaufen. Da war ein roter Mercedes, mit einem großen Stern. Ein großer Lastwagen.«
    »Kannst du mir einen zeigen? Hast du so einen in deiner Sammlung?«, hakte Paul nach und Jakob begann wie wild, in Schuhkartons voller Automodelle zu kramen. Triumphierend zog er nach wenigen Augenblicken einen Lkw mit Kastenaufbau und zwei Hinterachsen hervor und drückte ihn Paul in die Hand. Der Mercedes Actros war grün lackiert und trug auf der Seite das Logo einer

Weitere Kostenlose Bücher