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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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erwiderte Otto knapp. »Aber, wo jetzt du grade vom Vögeln sprichst, dazu sind wir hier goldrichtig! In den Armen eines Mädchens vergehen dir die Flausen, pass auf!«
    Der Erzherzog hob den Arm wie zum Sturmangriff und brüllte: »Attacke!« Mit einem gewagten Hechtsprung verschwand er zwischen einem Haufen kichernder, nackter Mädchen, die auf Kissen auf dem Boden lagen und Shisha rauchten.
    »Sehr gut, sollen die sich heute mit dem Idioten rumschlagen«, hörte Rudolph eine raue Frauenstimme hinter sich. Er drehte sich um und erblickte eine dunkelhaarige Frau im eleganten Abendkleid, die dekorativ ausgebreitet auf einem Diwan lag. Sie zog genussvoll an ihrer Zigarre und streichelte der französischen Dogge in ihrem Schoß sanft über den Kopf. Der zweite Bully lag neben ihr auf dem Boden und schnarchte auf dem Rücken liegend. Anna Maria Sacher formte mit den Lippen einen Rauchkringel und blies ihn sanft vor sich in die Luft. Jetzt bemerkte Rudolph auch die beiden jungen Ulanenoffiziere, die ihr begeistert die Füße massierten.
    »Bleiben Sie ruhig sitzen, Frau Sacher«, sagte Rudolph sanft, ging zu ihr und küsste ihr die dargebotene Hand.
    »Kaiserliche Hoheit sind zu gütig. Ich danke ergebenst«, erwiderte die Hotelbesitzerin kokett.
    »Hat er bei Ihnen endlich Hausverbot bekommen?«, erkundigte sich Rudolph und deutete mit dem Kopf auf seinen Cousin, der mit hochrotem Gesicht zwischen den Schenkeln eines quietschenden Mädchens verschwunden war.
    »Das hätte ich längst, aber Ihr Herr Vater hat …«, holte Anna Sacher aus.
    »… den Schaden bezahlt und noch etwas draufgelegt, oder?«, ergänzte der Thronfolger wissend.
    Anna Sacher zuckte lächelnd mit den Schultern und nickte bestätigend. »Er sollte … Ich meine, Seine Majestät, der Kaiser, sollte sich überlegen, einen eigenen Hofrat und eine Hofkammer nur für …«, begann sie.
    »… für die Abgeltung der Verfehlungen seiner Familie abstellen, meinen Sie«, vollendete Rudolph den Satz. »Ich glaube, das hat er längst. Aber, soviel ich weiß, kümmert er sich selbst darum …«
    Die Hotelbesitzerin nickte verständnisvoll und deutete mit einer Kopfbewegung auf die beiden Ulanen. Sie machte dem Kronprinzen ein Zeichen, nicht weiterreden zu müssen. Der Thronfolger dankte ihr mit einem Nicken.
    »Gehört dieses Etablissement Ihnen?«, versuchte er es mit Konversation. »Ich bin das erste Mal hier und gehöre offenbar noch nicht zum Kreis der Eingeweihten …«
    »Um Gottes willen …«, echauffierte sich die Sacher. »Ich bin k.u.k. Hoflieferantin! Aber ich beliefere auch dieses … Etablissement. Wenn mein seliger Eduard das wüsste …« Sie lächelte, zwinkerte, zog an ihrer Zigarre und blies den Rauch über die beiden Ulanen mit den nackten Oberkörpern. »Ich kenne die Gastgeber nicht. Ich weiß nur, wer die Villa bauen hat lassen …«
    »Und? Wer war es? Jetzt lassen S’ sich nicht alles aus der Nasen ziehen«, ärgerte sich der Kronprinz.
    Anna Sacher blickte empört auf. »Aber Kaiserliche Hoheit, ich bitte Sie, ich kann doch meine Zuträger … meine Gäste nicht so offen brüskieren.«
    Ein weiterer, genüsslicher Zug an der Zigarre. Dabei ließ sie den Thronfolger aber nicht aus den Augen. Dann, als sie sich seiner Aufmerksamkeit ganz sicher war, griff sich die stadtbekannte Hotelbesitzerin theatralisch an die Stirn und rief: »Aber wenn Sie so in mich dringen … Ich bin doch nur ein schwaches Weib …«
    Sie lächelte und sah Rudolph herausfordernd an, der das kleine Spielchen mitmachte und sichtlich Spaß daran hatte. Der Thronfolger wartete.
    »Wie ich aus den Separees in meinem Hotel erfahren habe …«, erklärte sie, »war der Bauherr Heinrich von Drasche.«
    »Der Ziegelbaron aus Inzersdorf, der vor acht Jahren gestorben ist?«, erkundigte sich der Kronprinz.
    »Genau der. Hat in den Sechzigern eine gewaltige Erbschaft gemacht. Es ist nicht offiziell, aber wie man hört von seinem Schwiegervater, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Anna Sacher kicherte vielsagend.
    »Wie meinen Sie das?« Rudolph verstand nicht gleich.
    »Kaiserliche Hoheit!« Die Hotelbesitzerin lachte. »Seine Frau war illegitim, ein Kuckucksei. Eine Tochter von Joseph Gottfried Pargfrieder …« Als sie den Namen aussprach, sah sie Rudolph erwartungsvoll ins Gesicht.
    »Ach, der …«, winkte Rudolph ab, konnte aber seine Nervosität nicht ganz verbergen.
    Anna Sacher schloss mit einem bedeutungsvollen Blick auf den Thronfolger die Lippen um ihre Zigarre.

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