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Narr

Narr

Titel: Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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Georgs Blicken bisher entgangen war. Ein mit Fackeln beleuchteter und endlos scheinender Gang führte tief ins Innere des Gallitzinberges. Aber die Blicke der Weisen schienen über Georgs Schulter zu gehen.
    »Knie nieder!«, befahl einer der Weisen.
    »Wo ist Ihre Armee, die mich dazu zwingen soll?«, erwiderte Sina und zog die Brauen zusammen.
    »Haben wir ein Problem mit dem Herrn Professor?«, kicherte plötzlich ein Mann hinter ihm und Georg drehte sich um. Vor ihm stand der Vergoldete. Er hatte die gelöschte Fackel lässig über die Schulter gelegt. Für eine Weile sahen sich Sina und der Goldene direkt in die Augen. Schließlich senkte der Mann die Fackel, drehte sie um und stützte sich darauf. Er sah aus wie eine goldene antike Statue. »Erkennst du mich? Ich bin Thanatos, der Gott deines Todes«, deklamierte der Mann. »Knie vor mir nieder, wie es sich geziemt, Sterblicher!«
    »Und wovon träumst du nachts? Sind hier alle verrückt geworden?« Sina war nicht mehr in der Stimmung für solche Spinnereien. »Ich würde vorschlagen, du bepinselte Thanatos-Kopie, dass du dorthin zurückkriechst, wo Tag und Nacht sich begegnen und deine Mutter Nyx dich hingeschissen hat.«
    »Knie nieder!«, wiederholte der Goldene unbeeindruckt.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte Sina, dass eine der Dienerinnen den Raum betreten hatte und ein Tablett trug, auf dem Handschellen und eine Lederpeitsche lagen. Die nackte Stripperin, die jetzt eine weiße Maske trug, war ihr lautlos gefolgt und fiel nun vor dem goldenen Thanatos auf die Knie.
    Sie ergriff die Hand des Mannes und flehte: »Verzeiht, Herr! Er weiß nicht, was er tut. Sei gnädig und verschone den Unwissenden. Ich will seine Buße mit Freuden tragen, wenn er dafür freikommt.«
    Georg blickte peinlich berührt zur Decke. Als die Tänzerin die Hand des Thanatos ergriffen hatte, war Sina sofort aufgefallen, dass er dabei die Augen zusammengekniffen und die Mundwinkel schmerzhaft verzogen hatte. Jetzt bemerkte der Wissenschaftler auch den Verband an der Schulter, der nur notdürftig mit Farbe und dem weißen Leinentuch kaschiert worden war.
    »Nun gut. Ich will gütig sein und dein Opfer annehmen«, verkündete Thanatos und klatschte sanft in die Hände. Sofort waren zwei Stumme zur Stelle.
    »Führt sie ins Verlies, dort will ich mich ihrer annehmen. Den Professor indes schafft mir aus den Augen. Wir werden uns später um ihn kümmern. Er läuft uns nicht weg!«
    Eine der Dienerinnen nahm Georg am Arm, setzte ihm wieder eine Maske auf und führte ihn aus dem Gewölbe hinaus, über den Gang mit den Kronleuchtern zurück durch das Entree, das nun ganz leer war. Vor der Tür stand der Silver Cloud mit geöffnetem Fond bereit.
    Die »Stumme« geleitete Sina die Freitreppe hinunter zur Limousine, als er ihr ins Ohr flüsterte: »Was geschieht jetzt mit dieser Frau?«
    Das Mädchen neigte den Kopf und schmiegte sich völlig überraschend an ihn, lockerte ihre Maske und begann seine Wange zu liebkosen. Sina war völlig überrascht, aber erst als die Maskierte sicher war, dass der Sicherheitschef keinen Verdacht schöpfte, wagte sie es zu sprechen.
    »Haben Sie keine Angst, es passiert ihr nichts Schlimmes. Nichts, was nach ein wenig Schlaf und ein bisschen Einkaufen nicht wieder vergessen werden könnte«, hauchte sie fast unhörbar. »Glauben Sie mir, die Bezahlung ist gut. Das hilft.« Dann küsste sie ihn auf die Wange, löste ihre Umarmung, winkte Georg zum Abschied zu und stieg mit gemessenen Schritten wieder die Treppe in die Villa zurück.
    Einer der beiden stummen Chauffeure kam Sina entgegen und nahm ihn am Ellenbogen und schob ihn in den Fond des Rolls-Royce. Georg ließ sich in die lederne Rückbank fallen, die Tür klickte sanft ins Schloss und der Wagen fuhr los.
    »Da geht sie hin, die ausgesuchte Höflichkeit«, brummelte Sina, schloss die Augen und massierte sich mit beiden Händen den Nacken. »Kein Licht, kein Wodka, kein Champagner, Persona non grata …«
    Doch plötzlich ging die Innenbeleuchtung an, Georg öffnete die Augen und erschrak, als er neben sich einen weiteren Mann mit schwarzer Maske sitzen sah.
    »Himmel, haben Sie mir einen Schrecken eingejagt!«, rief er aus.
    »Guten Abend, Georg. Na, haben sie dich auch rausgeschmissen, diese Spinner?«, tönte es unter der schwarzen Maske hervor.
    Sina hob den Kopf und zog die Brauen zusammen. »Kennen wir uns?«
    »Ach komm, Georg, du bist so gescheit, aber manchmal stehst du völlig auf der Leitung«,

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