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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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gerinnungshemmende Medikamente verschrieben bekommt?«, fragte Nachtigall.
    »Ja, die gibt es. Nach einer Herzklappen-OP, bei ausgeprägter Thromboseneigung. Aber dieser Wirkstoff kommt dabei nicht zur Anwendung. Es handelt sich dabei um handelsübliches Rattengift.«
    »Rattengift!«
    Perplex sah Nachtigall den Gerichtsmediziner an.
    »Ja, und es wurde ihm wahrscheinlich mehrfach eine mittlere Dosis verabreicht. Einen einmaligen Bolus halte ich für ausgeschlossen. Das Zeug ist pastös, wachsartig und bestimmt schmeckt es Menschen nicht. Zur Sicherheit wird es in der Regel rot eingefärbt und dieser Markierungsstoff färbt manchmal auf die Schleimhäute ab.«
    »Ich dachte, die Zeiten, in denen man mit Rattengift mordete, sind vorbei. Bei Agatha Christie wurde so was benutzt, oder?«, staunte Michael Wiener.
    »Zu Agatha Christies Zeiten enthielt Rattengift Arsen. Eine beliebte Mordmethode. Man konnte Arsen nämlich früher nicht nachweisen. So starb der Arme an einer heftigen Magenkolik und es kam nie heraus, dass jemand nachgeholfen hatte. Nach der Entdeckung des Arsenspiegels als Niederschlag im Reagenzglas wurde die Sache schwieriger. Die Symptome sind so augenfällig, jeder Rechtsmediziner sucht nach Arsen, wenn er jemanden auf den Tisch bekommt, der vor seinem Tod urplötzlich heftige Magenkoliken, Übelkeit und Erbrechen gezeigt hat. Heute ist kein Arsen mehr im Rattengift, sondern ein Wirkstoff, der die Tiere an inneren Blutungen sterben lässt. Rodentizide nennt man die Gruppe.«
    Zufrieden mit der Wirkung seiner Worte, lehnte Dr. Pankratz sich mit verschränkten Armen zurück.
    »Ein ungeduldiger Mörder oder einer, der aus Zeitnot den Tod sofort herbeiführen musste? Oder ein Täter, der die Hoffnung aufgegeben hatte, die Wirkung des Giftes könne noch einsetzen?«
    »Oder einfacher«, meinte der Rechtsmediziner, »er hatte keine Gelegenheit mehr, ihm weiter von dem Gift zu verabreichen, war sich aber nicht sicher, ob die Dosis schon ausreichte.«
    »Vielleicht hatte der Täter auch das Gefühl, das Opfer sei ihm auf die Schliche gekommen und musste schnell handeln«, fügte Albrecht Skorubski eine weitere Möglichkeit an.
    »Oder«, Dr. Pankratz verzog das Gesicht zu einem diabolischen Grinsen, »oder Sie suchen zwei Täter, die dem Opfer nach dem Leben trachteten. Vielleicht wusste einer nichts von dem anderen und nur einer war letztendlich erfolgreich.«

17
     
    Während Peter Nachtigall in seiner Küche mit den Vorbereitungen für ein gemütliches Abendessen für zwei bei Kerzenschein und romantischer Musik beschäftigt war, kreisten seine Gedanken um die spektakuläre Entwicklung, die sein aktueller Fall genommen hatte. War es nicht extrem unwahrscheinlich, dass gleich zwei Menschen den Tod des Opfers herbeiführen wollten? Auch noch zeitgleich? Hans-Jürgen Mehring mochte nicht gerade beliebt gewesen sein – aber wie viele Feinde konnte man sich als Speditionsleiter schon machen, die ernsthaft entschlossen waren zu töten? Und die Teufel? Sollten vielleicht zwei potenzielle Nachfolger im Verein beschlossen haben, ihn aus dem Weg zu räumen? »Quatsch«, entschied Nachtigall, »wenn alle Vereine ihre Personalfragen so lösen würden, gäbe es bald keine Vorstände mehr.«
    Casanova schnurrte um die Beine seines Mitbewohners und erbettelte erfolgreich eine Scheibe Salami aus dem Kühlschrank.
    »Rattengift! Das hatten wir schon lange nicht mehr!«, murmelte der Hauptkommissar vor sich hin, während er ein edles, weißes Tischtuch ausbreitete. Teller, Gläser, Bestecke arrangierte er liebevoll und stellte zwei hohe Glasleuchter auf die Tafel.
    Drohend sah er den Kater an. »Denk nicht einmal daran! Der Tisch ist tabu!« Beleidigt zog Casanova sich zurück. Er wusste genau, seine Stunde würde später schon noch schlagen.
    »Welche Musik nehme ich? Nichts zu Langsames, das schläfert nur ein, zu schnell auch nicht, dann kommt keine Stimmung auf.«
    Er zog eine CD aus dem Regal im Wohnzimmer, verwarf die Idee, schob sie zurück und angelte nach John Coltrane. Ob Conny diese Musik mögen würde – oder lieber doch das letzte Album von R.E.M.?
    Der Küchenwecker rief ihn zum Backofen. Kritisch überprüfte er den Zustand der Pasteten, alles bestens. Er stellte die Temperatur ein wenig niedriger. Zum Nachtisch würde es Mousse au Chocolat geben mit eingelegten Früchten. Eigentlich fehlte nur noch Conny.
    Jemand, der einen anderen vergiften wollte, musste doch vermutlich nah an sein Opfer herankommen.

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