Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
Und er musste dessen Vertrauen haben, spann Nachtigall weiter an seinem Fall. Eine fettige, wächserne Paste, rötlich eingefärbt, wie brachte man das geschickt an den Mann? Dr. Pankratz vermutete, das Gift sei in Brot oder Pizza verabreicht worden. Diese Überlegung rückte Frau Mehring in eine neue Position. Morgen würde er sich nicht abwimmeln lassen – es bestand Tatverdacht. Wer backte denn Brot und Pizza – die Frau des Hauses. Sie hatte sicher Gelegenheit genug, Gift in das Essen ihres Mannes zu mischen.
Bisher hatten sie nur von Paul Mehring die Information bekommen, der Vater habe seine Frau schlecht behandelt. Während Michael morgen mit den Teufelinnen beschäftigt war, würden Albrecht und er im Umfeld der Ehefrau Erkundigungen einziehen.
Aber auch dieser Paul selbst war undurchsichtig. Bis vor kurzem hatte er noch bei den Eltern gelebt. Hatte er deshalb den Vorstecher benutzen müssen, weil er den Vater nicht länger vergiften konnte? Das vertrug sich allerdings nicht mit der Philosophie der Mind Watchers. War der junge Mann ausgerastet, als er die Katze gefunden hatte? Nein, entschied er dann. Der Mord wurde erst am Sonntag begangen. Wenn er im Jähzorn getötet hätte, dann am Freitag, als sie sich gestritten hatten. Durfte der Gründer der Mind Watchers töten – sogar einen Menschen – wenn er Gründe genug für sein Handeln anführen könnte, wäre das ein ›verzeihliches‹ Verhalten? Oder würde der Gründer seine Bewegung verlassen müssen, wenn er ihn als Täter überführen könnte?
Nachtigall seufzte und zündete die Kerzen an. Conny würde jeden Moment klingeln.
Selbst der Vater des Opfers käme in Betracht! Wilhelm Mehring war auch kürzlich ausgezogen und diese entsetzlichen Narben ... Die Türklingel unterbrach seine Überlegungen. Rasch überprüften seine Hände den Sitz von Hose und Hemd, während er durch den Flur eilte.
Das strahlende Lächeln, mit dem er die Tür schwungvoll aufgerissen hatte, erstarb in Sekundenschnelle. Dort stand nicht Conny!
»Birgit!«
Vor der Tür stand die Mutter seiner Tochter Jule, die ihn und das Kind vor einigen Jahren verlassen hatte, um einen norwegischen Geologen zu heiraten.
Während er sie anstarrte, unfähig etwas zu sagen oder sich zu bewegen, registrierte sein Verstand ihren desolaten Zustand, die geröteten Augen, die geschwollene Nase und die beiden großen Koffer neben ihr auf dem Treppenabsatz. Offenbar hatte es zu regnen begonnen, während er mit Kochen beschäftigt war, denn Birgits Kleidung machte einen völlig durchnässten Eindruck und ihre Haare klebten nass an Kopf und Mantel. Sie zitterte leicht und ihre Lippen waren bläulich verfärbt.
»Birgit«, krächzte er noch einmal.
Und dann beging er einen verhängnisvollen Fehler, dessen Folgen er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ermessen konnte: Nachtigall trat betäubt einen Schritt zur Seite und verhalten schluchzend drückte Birgit sich an ihm vorbei ins Haus. Er trug die beiden, schweren Koffer ins Haus und stellte sie im Flur ab.
»Was ist denn los?«
»Kann ich dir das später erzählen? Ich würde mich gerne schnell heiß duschen und was Trockenes anziehen. Wenn du nichts dagegen hast.«
Natürlich hatte er etwas dagegen, er fühlte sich unbehaglich. Doch wider besseres Wissen willigte er ein und Birgit verschwand nach oben.
Kaum hatte sich die Badezimmertür hinter ihr geschlossen, als es wieder klingelte. Diesmal stand wirklich Conny vor ihm und er drückte sie fest an sich.
»Nanu, willst du verreisen?«, fragte sie nach dem Willkommenskuss.
»Nein, das sind Birgits Koffer«, erklärte er so emotionslos, wie ihm nur möglich war.
»Wie, deine Ex ist da? Dann ist das ihr Auto da an der Straße? Was will sie denn?«, er spürte, wie Conny in seiner Umarmung steif wurde. Na, prima. Dabei sollte es doch so ein wundervoller Abend werden.
»Ich weiß nicht, was sie will. Sie stand gerade vor fünf Minuten plötzlich vor der Haustür. Nicht einmal angerufen hat sie vorher – dann hätte ich ihr nämlich gesagt, dass sie nicht herkommen soll.«
»Dann störe ich doch bestimmt«, Connys Stimme klang kühl, stellte Nachtigall besorgt fest.
»Nein, so ein Quatsch! Ich freue mich doch schon den ganzen Abend auf dich! Frag Casanova – er muss sich schon seit Stunden meine Schwärmerei für dich anhören. Er hat schon rote Ohren davon.«
Zärtlich zog er sie heran, küsste sie liebevoll und spürte erleichtert, wie sie sich entspannte.
Diesen Moment wählte Birgit,
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