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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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Nötigung?«
    Schweigen breitete sich im Probensaal aus. Es war, als sei die Temperatur um mindestens 10 Grad gefallen, und einige Narren zogen fröstelnd die Schultern hoch oder rieben sich die Oberarme. Wieder war der Frager nicht auszumachen.
    Rolf Bartel versuchte eine verblüfft-entsetzte Miene aufzusetzen, doch der Versuch endete in einem wölfisch-verschlagenen Ausdruck, der auch viel besser zu seinem Charakter passte.
    »Was soll das heißen, hä?«, fragte er hysterisch schrill zurück, »ich habe noch nie jemanden sexuell genötigt!«
    Berta, eine kräftig gebaute Teufelin Mitte 40, stand entrüstet auf. Ihr sonst so mütterlich sanftes Gesicht war hart, der Mund zu einem dünnen Strich zusammengepresst.
    »Tu nicht so scheinheilig! Alle wissen doch, wie es hier läuft!«
    »Ihr spinnt doch!«, schrie er sie an, »seid ihr total durchgeknallt?«
    »Red nicht so dumm daher! Hans-Jürgen hat die Tanzpositionen für die Fernsehaufzeichnungen vom ›Wohlverhalten‹ der Tänzerinnen abhängig gemacht!«
    Sie war wütend.
    »So was hat der Hans-Jürgen nie gemacht!«, kreischte Rolf Bartel aus einer Mischung von Angst und Enttäuschung. Das durfte nie nach draußen dringen, sonst war der Verein erledigt. Diese aggressive Bande verdarb seine ganzen fantasievollen Pläne. Typisch: Bei so einem Schönling wie Hans-Jürgen ging das klar mit dem Sex und bei ihm fingen sie an herumzuzicken. Dabei konnte man doch erwarten, dass sie sich freundschaftlich verhielten, wenn sie schon in der ersten Reihe tanzen durften, oder etwa nicht? Wahrscheinlich sind die alle scharf auf den ach so tollen Hans-Jürgen gewesen – und kaum kam er, hieß es nun plötzlich sexuelle Nötigung!
    »Jetzt ist es aber genug!«, fauchte Berta ihn so böse an, dass er um einige Zentimeter schrumpfte und erschrocken zurückwich.
    Wenn er jetzt nicht aufpasste, würde er womöglich Prügel beziehen für ein Vergnügen, das er nie hatte. Soweit durfte er es nicht kommen lassen, er wollte nicht für Hans-Jürgens Verhalten bezahlen. Das war nicht einzusehen, völlig indiskutabel.
    Entsetzt registrierte er, wie sich alle Teufel erhoben und näher kamen. Er zog sich vorsichtig zurück, spürte die raue Wand in seinem Rücken. Hier kam er nicht weiter. Langsam rutschte er an der Wand entlang, seine Knie wurden weich, trugen ihn nicht mehr und plötzlich fand er sich auf dem Boden hockend wieder, wimmernd, seine Hände schützend über den Kopf haltend – eine lächerliche Figur.
    »Wir nehmen das nicht mehr hin. Nach seinem Tod haben wir uns zusammengesetzt und beschlossen, seinem Nachfolger keine Gelegenheit zu geben, in diese Fußstapfen zu treten«, wisperte Marianne, eine blonde, energische Teufelin, »er hat es mehr oder weniger bei jeder probiert – so etwas werden wir nicht mehr zulassen! Sogar bei den Mädchen – dieses Schwein!«
    »Solltest du also gedacht haben, du könntest sein Erbe in jedem Bereich antreten, vergiss es!«, zischte Petra in sein Ohr, er bekam eine Gänsehaut und rückte von ihr ab. Doch die große, magere Anne setzte hinzu: »Wir werden dich im Auge behalten – und wenn es auch nur so aussieht, als solltest du es versuchen – die Polizei ist knapp um die Ecke und keine von uns wird zögern!«
    Rolf brachte nur noch ein kleines Kopfschütteln zustande.
    Erst Minuten, nachdem die Teufel den Raum verlassen hatten, traute er sich, die Arme herunterzunehmen und die Augen zu öffnen.
    »Scheiße!«, fluchte er und fand das Leben furchtbar ungerecht, »verdammte Scheiße!«

19
    Mittwoch
     
    Michael Wiener hatte beschlossen, zunächst die als Studentinnen und Hausfrauen aufgeführten Teufelinnen zu besuchen. Da war die Wahrscheinlichkeit am größten, morgens um diese Zeit jemanden anzutreffen, der nicht gerade zur Arbeit hastete.
    Er parkte den Wagen vor einem der farbenfroh renovierten Häuser in Sachsendorf und musste eine Weile suchen, bis er die Klingel gefunden hatte.
    Claudia Wagner, Studentin an der Fachhochschule, sah den jungen Mann, der so früh am Morgen vor ihrer Tür stand, prüfend an und gab ihm mit einer gleichgültigen Geste den Dienstausweis zurück.
    »Kriminalpolizei? Und?«, fragte die große, schlanke Frau spitz und warf schwungvoll ihre kupferroten Haare zurück.
    »Sie wissen doch sicher, dass Hans-Jürgen Mehring ermordet wurde. Nun versuchen wir, so viel wie möglich über ihn in Erfahrung zu bringen: welche Freunde er hatte, welche Hobbys. Sie wissen schon«, antwortete Wiener holprig. Der

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