Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
überlegte laut: »So viel Kraft braucht man eigentlich nicht, um jemandem diesen Vorstecher in den Rücken zu rammen. Viel Mut und Entschlossenheit schon eher.«
»Der Hass muss enorm stark gewesen sein. So aus dem Bauch heraus würde ich ein finanzielles Motiv ausscheiden. Ich glaube, es war eine sehr persönliche Angelegenheit, die da zu Ende gebracht wurde – eine tiefe Verletzung«, murmelte Nachtigall und sah auf die Fotos. »Es ging nicht um diese Spedition – nein. Er hat irgendjemandem etwas angetan und der wusste keinen anderen Ausweg, als ihn zu töten. Weil er sonst seinen Peinigungen nicht entgehen konnte, weil er zu schwach war, sich anders zu wehren, weil er deprimiert genug war, alles auf eine Karte zu setzen, egal ob er geschnappt wird oder nicht.«
»Ach – die DVD von LTV!«, unterbrach Michael Wiener die Aufzählung. »Dieses Interview mit Paul Mehring, also ich muss schon sagen, der Nico Lobedan hat mir richtig leidgetan.«
Er legte die DVD ein und spielte die Aufzeichnung ab.
Peter Nachtigall starrte in das bleiche Gesicht des jungen Mannes, der angespannt und gestresst eine Plastiktüte umkrallte und plötzlich eine tote Katze anklagend in die Kamera hielt.
»Ich glaube, er hat gewusst, wer die Katze umgebracht hat. Und Drohbriefe hat er auch bekommen! Mensch, warum hat er uns das nicht vorhin erzählt?«, schimpfte er. »Wann war das Gespräch?«
»Am Freitag. Nico Lobedan erzählte mir, Paul Mehring habe die Katze auf dem Weg ins Studio auf dem Fußabtreter gefunden. Er muss sehr erregt gewesen sein, als er bei LTV ankam und Nico hat schon gleich kein gutes Gefühl gehabt. Aber er konnte das Interview ja nicht einfach abblasen.«
»Wann war der Streit zwischen Vater und Sohn bei den Teufeln?«
»Freitag.«
»Was, wenn der älteste Sohn glaubte, sein Vater schicke ihm Drohbriefe und habe seine Katze ermordet, um ihn in Angst zu versetzen? Was hätte der Vater erreichen wollen? Das Ende der Mind Watchers?«
Es klopfte und alle drei zuckten zusammen.
Dr. Pankratz schob seinen glänzenden Kopf durch die Tür und fragte mit spitzbübischem Lächeln:
»Angenommen, ich brächte eine faustdicke Überraschung als Liebesgabe mit – dürfte ich dann die heiligen Räume kriminalistischer Arbeit betreten?«
Nachtigall lachte und lud den Rechtsmediziner mit großer Geste ein, sich zu ihnen zu setzen.
Dr. Pankratz sah die Fotos auf dem Schreibtisch und das Standbild, das immer noch die getötete Katze in Nahaufnahme zeigte, lange an, dann fragte er: »Und, den Mörder schon gefunden?«
»Leider nicht. Unser Opfer war ein aktiver Mensch, der sich offensichtlich in einigen Lebensbereichen nicht nur Freunde gemacht hat. Aber gleich einen Mord zu begehen, noch dazu so einen öffentlichen – das kommt zum Glück nicht für alle Verärgerten in Betracht.«
»Gut. Wie versprochen, meine Überraschung für das Team: Todesursache war der Stich ins Herz – dabei bleibt’s. Aber er wäre ohnehin innerhalb kurzer Zeit verstorben!«
»Was?«
Nun hatte Dr. Pankratz die volle Aufmerksamkeit des Teams.
»War er krank?«, Peter Nachtigall hatte sich als Erster wieder gefasst, »davon hat bisher niemand ein Wort erwähnt.«
»Nein, er war nicht krank. Mir ist schon bei der Obduktion aufgefallen, wie viel Blut er verloren hatte. Seine Magen- und Ösophagusschleimhaut schien mir leicht rötlich verfärbt. Außerdem fanden sich überall an seinem Körper frischere und ganz frische Hämatome. Arme, Beine und sogar der Rumpf waren betroffen. Typischer Befund bei Opfern häuslicher Gewalt, Demenzkranken oder Alkoholikern, die leicht stürzen. In diesem Fall schien nichts davon sehr wahrscheinlich – was nicht unbedingt etwas heißen mag. Also überprüfte ich Alkoholspiegel, Leberwerte usw. Er war kein Alkoholiker. Es musste eine andere Ursache geben und die habe ich auch gefunden: Difenacoum ist der Name. Es wirkt gerinnungshemmend auf das Blut. In der Dosis, die man ihm vermutlich verabreicht hatte, war sein Tod nur eine Frage der Zeit. Das Opfer stößt sich irgendwo hart, fällt oder verblutet spontan. Der Täter muss nur geduldig abwarten, bis es passiert.«
»Difenacoum? Klingt gar nicht gefährlich. Das Wort habe ich überhaupt noch nie gehört.«
»Dann wird es aber Zeit«, der Rechtsmediziner lachte. »Schließlich fällt es, wenn wir es finden, eindeutig in euren Bereich.«
»Daraus schließe ich: Er hat es wohl nicht freiwillig eingenommen. Gibt es nicht Erkrankungen, bei denen man
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