Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
dass es je gelingen würde, aus ihm einen Vegetarier zu machen, hielt er für unwahrscheinlich. Extrem unwahrscheinlich.
»Haben Sie Ihren Vater gehasst?«
Er stellte diese Frage leise, als sei es unschicklich, so etwas überhaupt derart offen anzusprechen. Paul Mehring wischte sich mit beiden Händen heftig über die Wangen und versuchte, den Kopf klar zu bekommen.
»Was wollen Sie denn nun hören? Ja, ich habe ihn gehasst und deshalb liegt er jetzt in der Pathologie?
Aber so war es nicht! Vielleicht habe ich ihn gehasst, sicher habe ich ihm immer wieder den Tod gewünscht – schon allein dafür, wie er meine Mutter behandelt hat, meinen Bruder, Opa, mich! Aber ich bin nicht sein Mörder!«
Der Wasserkocher gab ein lautes Knacken von sich und Paul stand auf, entnahm dem Schrank drei Porzellanbecher und fragte:
»Tee?«
Nachtigall und Skorubski nickten. Tee, nervenberuhigendes Heilmittel in allen kritischen Lebenslagen.
»Johannisbeere-Kirsche? Was Stärkeres haben wir nicht im Haus.«
»Ja, danke. Ist prima.«
Als Paul Mehring die Becher, Löffel, Zucker und Kekse – Vollkornkekse – auf dem Tisch abstellte, war er offensichtlich zu einem Entschluss gekommen.
»Sie finden es ja ohnehin heraus: Mein Vater hat vor ein, zwei Jahren – unabsichtlich, denke ich – die Bewohner eines Altenheims vergiftet. Die Kühlung an einem seiner Transporter war ausgefallen, die Lebensmittel wurden über mehrere Stunden zu warm gelagert. Er dachte sich nichts dabei, manchmal konnte er sehr oberflächlich sein, und lieferte dennoch aus. Salmonellen. Drei alte Damen starben. Vielleicht gibt es da jemanden, der den Tod seiner Mutter rächen wollte.«
Nachtigall runzelte die Stirn – eine Erbschaftsangelegenheit vielleicht, er würde es im Hinterkopf behalten.
»Aha. Gab es ein Strafverfahren in dieser Sache?«
»Ja, selbstverständlich. Die Spedition musste zahlen – und zahlt noch heute. Wie hoch der Betrag war, weiß ich nicht mehr, aber mein Vater nahm deswegen einen Kredit auf.«
»Dann war es so viel, dass es das Unternehmen auf Schlingerkurs brachte?«
»Ja, ich denke schon. Meinen Großvater hat das damals wahnsinnig geärgert. Es gab ständig Streit zwischen den beiden, weil Opa bei jeder Gelegenheit sagte: ›Wie blöd kann einer allein eigentlich sein?‹ Aber mit der Zeit ebbte das wieder ab.«
»Und die momentane Schieflage? Immer noch eine Folge davon?«
»Ja und nein.« Paul spielte mit seinem Löffel, stieß ihn auf die Tischplatte, knallte ihn dann mit einem harten Ruck neben seine Tasse und sah Nachtigall zornig an.
»Er hat das ganz allein verbockt und die Spedition immer weiter in den Ruin getrieben. Ich gehe davon aus, dass mein Bruder das Unternehmen weiterführt, und bin sicher, es wird schwer für ihn werden, die Firma zu halten. Wenn er klug ist, nimmt er Opa für einige Zeit als Berater mit dazu – wenn nicht, sehe ich den Konkurs auf ihn zukommen.«
Wieder hatte Nachtigall das Gefühl, Paul Mehring hätte ihm im Grunde etwas anderes sagen wollen und sich im letzten Moment dagegen entschieden.
Ein Schlüssel klapperte in der Wohnungstür. Kinderlachen war zu hören.
»Das ist Katharina. Wir möchten nicht vor Lucas über den gewaltsamen Tod meines Vaters sprechen. Bitte haben Sie dafür Verständnis.«
Peter Nachtigall erhob sich ohne zu zögern, auch Albrecht Skorubski stand rasch auf.
»Bleiben Sie in der Stadt. Ihren Laptop bekommen Sie so schnell wie möglich zurück. Telefon haben Sie nicht?«
»Doch. Wir leben doch nicht wie Höhlenmenschen!«
Er notierte unter die Liste seiner Zeugen eine Handynummer und begleitete die beiden Männer zur Tür.
»Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass er seinen Vater ermordet hat. So aufbrausend, wie der war. Da reicht doch sicher eine Kleinigkeit und der rammt dir was Spitzes in den Rücken.« Albrecht Skorubski war erleichtert, aus der Wohnung entkommen zu sein.
»Zugegeben, er hat Probleme. Aber letztlich hat er sich unter Kontrolle gehabt. Er hat uns alle Fragen beantwortet, auch wenn es ihm hier und da schwerfiel. Ich bin sicher, er hätte uns mehr erzählen können – aber du gibst doch auch nicht alles einfach preis, nur weil ein Fremder dir indiskrete Fragen stellt.«
»Die ganze Zeit über habe ich mich gefragt, worin die Macht dieses Vaters bestanden hat. Ich meine, die Jungs hätten sich gegen ihn wehren können, die waren doch keine kleinen Kinder mehr.«
»Ja – hier war er sehr zurückhaltend. Möglicherweise
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