Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
gedacht, Sabine anzurufen? Sie ist mit Conny befreundet und kann dir sicher helfen, die Angelegenheit zu klären.«
»Meinst du nicht auch, ich sollte in meinem Alter langsam in der Lage sein, meine Probleme ohne die Unterstützung meiner kleinen Schwester zu lösen?«
»Du liebe Zeit! Deine Mörder fängst du schließlich immer ohne sie. Du fragst ja nicht ständig um Rat. Und gerade in diesem Fall erscheint es besonders sinnvoll, sie einzuschalten.«
»Nein. Dann glaubt Conny, ich verstecke mich hinter Sabine! Kommt gar nicht in Frage!«
»Wo ist eigentlich Michael?«, lenkte Skorubski ab.
»Er besucht die ›Teufelinnen‹. Er wollte gleich morgens damit beginnen. Immerhin sind es fast 20 Namen. Ich denke, wir beide werden uns den Rest der Arbeit teilen müssen. Du kümmerst dich um ›Energie‹ und erkundigst dich dort nach Mehrings Freunden und Feinden. Ich besuche den Vater und versuche zu erfahren, wie das Opfer zu diesen furchtbaren Narben gekommen ist. Danach fahre ich noch mal raus nach Kahren. Besprechung wie immer hier, mein Handy ist an.«
Wilhelm Mehring war offensichtlich ein Frühaufsteher. Er öffnete dem Hauptkommissar in weißem Hemd und dunkelgrauem Anzug.
»Sie wollten gerade gehen?«
»Nein«, entgegnete der ältere Herr, »ich kleide mich jeden Morgen sorgfältig. Nur weil ich inzwischen ein alter Mann geworden bin, muss ich mich nicht vernachlässigen. Sie haben noch Fragen oder wurde der Mörder bereits gefasst?«
»Nein, den Täter haben wir noch nicht – aber bei der Obduktion haben sich neue Gesichtspunkte ergeben, die weiter beleuchtet werden müssen. Unter anderem entdeckte der Rechtsmediziner auf dem Rücken Ihres Sohnes dramatische Narben. Können Sie mir dazu etwas sagen?«, fragte Nachtigall unterkühlt.
Das Gesicht des Seniors wurde ernst und traurig.
»Würden Sie mich auf einen kleinen Spaziergang begleiten? Rüber zum Amtsteich? Dort gibt es eine gemütliche Bank.«
Nachtigall nickte. Manche Dinge ließen sich beim Gehen leichter besprechen.
»Gut. Ich fahre schnell noch den Computer runter«, verkündete Wilhelm Mehring und verschwand in seinem Arbeitszimmer.
»Woran arbeiten Sie denn?«
Der alte Herr warf Nachtigall einen kritischen Blick zu, erkannte aber echtes Interesse im Gesicht des Hauptkommissars und sein Gesicht nahm einen erfreuten Ausdruck an.
»Mein Sohn fand meine Arbeit am Computer albern und meinte, ich sei eine lächerliche Figur, weil ich nicht akzeptieren könne, dass die Welt sich auch ohne mich dreht. Seit ich ausgezogen bin, schreibe ich an einem Buch über Firmenstrukturen im Mittelstand und betreue ein Netzwerk rüstiger Senioren, die ehrenamtlich Firmen beraten, die in finanzielle Krisen geraten sind. Und natürlich nutze ich auch die Informationsplattformen im Internet – man will ja auf dem Laufenden bleiben.«
Peter Nachtigall fühlte sich einen Moment lang wie ein zurechtgewiesener Schüler. Dann lächelte er anerkennend. »Alle Achtung. Ihr Sohn war an einer ehrenamtlichen Unterstützung wohl nicht interessiert?«
»Nein«, lautete die knappe Antwort.
Sie verließen die Wohnung, überquerten die Franz-Mehring-Straße.
»Nicht verwandt und nicht verschwägert« kommentierte Mehring und wies auf das Straßenschild. Nach wenigen Schritten erreichten sie den Amtsteich. Die Fontäne wirkte im frühen Sonnenlicht fröhlich und schleuderte eindrucksvolle Wasserarme hoch, die laut plätschernd auf der Oberfläche aufschlugen.
›Nicht lange und der Teich gehört wieder den Schlittschuhläufern‹, dachte Nachtigall und fröstelte bei der Erinnerung an winterweiße Wege, Schneegeriesel und Kälte. Früher kam die Feuerwehr im Winter hierher und ließ Wasser über die Eisfläche laufen, damit eine schön glatte Fläche entstand, fiel ihm ein, und ein freundlicher, älterer Herr mit wettergegerbten Zügen bot hier seinen Kufenschleifservice an. Ob der wohl immer noch kam? Er beschloss, im kommenden Winter darauf zu achten – vielleicht würde er mit Groovi herkommen, einem Jungen, den er bei einem seiner letzten Fälle kennen gelernt hatte und der ihm ans Herz gewachsen war. Durch Groovi hatte er seine alte Freude an Drachengeschichten und anderen Fantasyerzählungen wieder entdeckt und brachte ihm manchmal Bücher zu dieser Thematik aus der Stadtbiliothek mit.
Nach ein paar Schritten am Ufer entlang steuerte Wilhelm Mehring zielstrebig eine Bank an. Kaum hatten sie dort Platz genommen, als sie auch schon von einer Horde
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