Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
sie kein Wort mehr mit mir spricht, nicht ans Telefon geht und überhaupt nicht mehr reagiert.«
»Was heißt, du wirst sie nicht mehr los?«
»Sie geht nicht! Und ich kann sie ja wohl kaum von den Kollegen abholen lassen, oder?«
»Und wie soll ich dir jetzt dabei helfen?«
»Ich dachte, du könntest ...«
»Das ist völlig ausgeschlossen! Wir renovieren! Überall verschärfte Unordnung! Nein. Das geht nicht.«
»Stell dir vor, Conny ruft gerade jetzt bei mir zu Hause an – und deine Mutter meldet sich an meinem Telefon!«
»Ganz ruhig, Papa.«
»ICH BIN NICHT RUHIG!«
»Ja, das höre ich. Hast du schon bei Sabine angerufen? Sie ist doch mit Conny befreundet und könnte vermitteln, erklären und helfen die Sache aus der Welt zu schaffen.«
»Jule, ich kann nicht bei jedem Problem meine kleine Schwester um Hilfe bitten! Das ist in meinem Alter langsam peinlich! Deine Mutter muss weg!«
»Ja, ich verstehe schon.«
»Sie muss weg!«, wiederholte Nachtigall beschwörend.
»Das klingt ja fast schon wie ein Aufruf zum Mord! Pass auf: Ich steige wieder auf meine Leiter und denke nach. Mir wird schon was einfallen. Ich rufe dich an. Triffst du sie nicht heute, wenn du zum Sport gehst?«
»Ich glaube nicht, dass ich heute noch zum Sport komme. Ich habe zu arbeiten und bestimmt ist sie gar nicht da, weil sie mir aus dem Weg gehen will.«
»Na gut. Ich denke über dein Problem nach!«, versprach Jule ernsthaft.
»Warte mal, ist Emile da?«
Jule kicherte.
»Wo sollte er sonst sein? Wir werden hier zusammenwohnen. Er rührt Farbe an.«
»Emile«, meldete sich der Fachmann für operative Fallanalysen des LKA mit klangvoller Stimme.
»Emile, hallo. Kennst du dich ein bisschen bei katholischen Riten und Bräuchen aus?«
»Kannst du diese Frage etwas präzisieren? Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Hochzeit, Taufe, Sterbesakramente?«
»Nein, nein. Nichts von alledem. Geißeln. Wie in dem Film ›Sakrileg‹. Sich selbst bestrafen durch Schlagen mit einem Stock oder einer Peitsche.«
»Ja, ist mir ein Begriff. In Klöstern wird das angeblich praktiziert. Selbst Mutter Theresa wird nachgesagt, sie habe sich regelmäßig gegeißelt. Was möchtest du wissen?«
»Für welche Sünden geißelt man sich? Welche Wirkung hat es auf die Psyche – salopp ausgedrückt: Wie ist jemand drauf, der sich selbst so was antut?«
»Hm, gut. Flagellantentum. Ich sehe, was ich für dich finden kann. Wann trefft ihr euch im Büro?«
»So in einer Stunde.«
Peter Nachtigall seufzte. Entweder sah er die Bäume oder den Wald vor Bäumen nicht, dachte er. Das Opfer war ein seltsamer Mensch. Je mehr sie über ihn erfuhren, desto unschärfer wurde das Bild, desto mehr Motive sammelten sich an. Es wurde Zeit, Ordnung in das Chaos zu bringen!
Er verließ den Parkplatz, ordnete sich an der Kreuzung rechts ein und bog auf die Madlower Hauptstraße ein. An der nächsten Kreuzung hielt er sich links und war Minuten später schon wieder auf dem Weg nach Kahren.
Markus Mehring war wenig begeistert, ihn zu sehen.
»Meine Mutter schläft. Sie können sie jetzt nicht sprechen. Dieses Gefasel über Rattengift und Fremdgehen hat sie ziemlich aus der Bahn geworfen«, verkündete er wütend, führte den Besucher aber dann doch in die Küche, wo sie sich an den kleinen Tisch setzten.
»Will ich auch nicht. Die Fragen, die ich noch habe, können Sie bestimmt beantworten.«
»Noch mehr Überraschungen? Hans-Jürgen Mehring, das unbekannte Wesen?«
»Vielleicht. Es fällt mir schwer, mir ein Bild von Ihrem Vater zu machen. Erst sieht es so aus, als hätte niemand einen Grund, Ihren Vater töten zu wollen – und dann fördert jede Zeugenbefragung Motive und Tatverdächtige ohne Ende zutage.«
»Mein Vater ist tot. Man kann ihm jetzt andichten, was man will, er kann sich nicht mehr wehren!«
»Er hatte sexuelle Kontakte zu den Tänzerinnen in der ersten Reihe. Da gibt es Aussagen, die die Damen unabhängig voneinander gemacht haben.«
»Ich habe darüber nachgedacht, aber ich glaube es nicht!«
»Das, Herr Mehring, ist keine Frage des Glaubens mehr.«
»Ich weiß, was Sie annehmen: Sie machen es sich leicht und gehen davon aus, meine Mutter habe davon gewusst und ihn vergiftet!«
»Das wäre eine Möglichkeit. Sie kocht. Sie hatte die Gelegenheit, ihm das Gift in sein Essen zu rühren und dabei darauf zu achten, dass Sie nicht versehentlich auch davon probieren. Einer Hausfrau stehen da unglaublich viele Varianten zur Verfügung.«
»Wie
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