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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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hätte sie das tun sollen? Sie kam nicht an das Gift, das gegen die Ratten ausgelegt wurde. Es war weggeschlossen. Sie hätte ihn nicht erstechen können – das Werkzeug ist ebenfalls weggeschlossen. Und sie hätte es auch gar nicht gekonnt.«
    »Man kann Gift kaufen, auch einen Vorstecher bekommen Sie im Baumarkt um die Ecke. Kein Problem.«
    »Meine Mutter hat keinen Führerschein. Sie hat kein Geld. Nicht einmal einen Fahrschein für den Bus hätte sie sich kaufen können. Und ihr Fahrrad steht im Keller. Beide Reifen sind platt. Mein Vater behauptete, sie könne mit dem Rad nicht richtig umgehen und daher werde es jetzt auch nicht mehr repariert.«
    »Wieso hat Ihre Mutter kein Bargeld?«
    »Weil mein Mann der Meinung war, Geld verderbe den Charakter und ich bräuchte keines«, antwortete Frau Mehring, die unbemerkt zu ihnen gestoßen war und plötzlich Halt suchend am Türrahmen lehnte.
    Markus sprang auf und begleitete die schwankende Frau über den Flur. Ganz offensichtlich wollte er verhindern, dass seine Mutter in diesem Zustand etwas sagte, was sie hinterher, bei klarem Verstand, bedauern würde.
    Einen Moment später war der Sohn wieder in der Küche und meinte: »Sie steht unter dem Einfluss von Beruhigungsmitteln. Dies nur zur Information. Damit Sie nicht glauben, sie sei betrunken.«
    Peter Nachtigall beschloss, nicht weiter darauf einzugehen.
    »Ihr Bruder hat uns erzählt, Ihre Mutter sei häufig das Ziel der Aggressionen ihres Mannes geworden, wenn er sich eigentlich über einen der Söhne geärgert hatte.«
    »Ja, das stimmt«, räumte der junge Mann zögernd ein.
    »Wie soll ich mir das konkret vorstellen? Hat er sie geschlagen?«
    »Was stellen Sie sich eigentlich in Ihrem Polizistenhirn so vor? Soll ich jetzt meine eigene Mutter belasten, oder was?«
    »Wir können den Mörder nur ermitteln, wenn wir die ganze Wahrheit kennen – und denken Sie nur nicht, es gäbe Dinge, die wir noch nicht gesehen haben! Menschliche Schwächen, seelische Abgründe – das gehört zu unserem Alltag.«
    Markus Mehring schwieg trotzig, setzte sich aber wieder an den Küchentisch. Er stützte die Ellbogen auf, faltete die Hände, schob die ausgestreckten Daumen unter das Kinn und begann, seine Nase mit den Zeigefingeraußenseiten zu reiben. Nachtigall sah ihm geduldig abwartend dabei zu.
    »Mein Vater war ein ausgesprochen schwieriger Mensch«, begann der Sohn tastend, »ob er meine Mutter geschlagen hat, kann ich nicht sagen, wenn es so war, haben wir Kinder es nie gesehen und meine Mutter hat nie darüber gesprochen, aber er hatte andere, subtilere Methoden. Wenn er wütend wurde, beschimpfte er sie, unterstellte ihr sich nicht an seine Vorgaben gehalten zu haben. Er behauptete zum Beispiel, sie sei unterwegs gewesen, habe im Café sinnlos Geld verprasst und anschreiben lassen. Meine Mutter widersprach natürlich, sie ging ja nie weg und schon gar nicht ins Café – er bezichtigte sie der Lüge. Das ging hin und her, bis sie weinend davonlief. Dann lehnte er sich zurück und erklärte uns, das sei der Beweis. Hätte es nicht gestimmt, gäbe es ja für sie keinen Grund, heulend wegzulaufen. Es sei ein Schuldeingeständnis und der echte Mann habe dafür Sorge zu tragen, dass seine Frau sich nach dem richte, was er für richtig halte.«
    »Ein Patriarch.«
    »Nein, ein Sadist. Alle haben sich ihm unterworfen, weil er an die Stellen schlug, von denen er wusste, dass es dort am meisten schmerzte. Paul zum Beispiel wies er stets und ständig darauf hin, dass ein echter Mann seine Nachkommen selber zeuge – Paul musste das hinnehmen, weil er Katharina und Lucas liebt, aber natürlich ist mir klar, wie sehr er manchmal darunter leidet, nicht der biologische Vater zu sein. Hätte Paul jähzornig reagiert, wäre das für Vater ein Beweis dafür gewesen, dass er kein echter Mann sei, denn ›echte Männer haben sich immer im Griff‹. Das mache schließlich ihre Überlegenheit, gerade auch dem anderen Geschlecht gegenüber, aus.«
    »Und wo hat er bei Ihnen hingezielt?«
    Das Gesicht des Sohnes verfinsterte sich und seine Stimme bebte vor unterdrückter Wut.
    »Auf meine Freunde. Sie waren ihm nicht männlich genug, er fand, ich sei ein flennendes Weichei, das sich mit anderen Weicheiern umgebe. Spektakuläre Erpressungsaktionen folgten, mit denen er erreichen wollte, dass ich diesen oder jenen nicht mehr traf. Nutzte das alles nichts, besuchte er meine Freunde, passte sie auf der Straße ab und drohte ihnen sonst was an,

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