Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
gehabt, nicht wahr? Aber aus welchem Grund hätte ich wohl meinen Mann umbringen sollen? Das ist einfach lächerlich.«
»Ihr Mann hat Sie betrogen.«
»Das ist nicht wahr!«, protestierte sie.
»Es tut mir leid – wir haben eindeutige Aussagen dazu.«
»Mit wem?«, fauchte Markus Mehring entrüstet, setzte sich neben seine Mutter und legte beschützend einen Arm um ihre Schultern.
»Einige Frauen haben ausgesagt, dass die Tanzposition in der ersten Reihe bei den ›drei goldenen Haaren‹ ›verdient‹ werden musste.«
»Wenn das stimmt, war er ein Schwein!«, zischte der Sohn leichenblass und die Witwe starrte vor sich hin.
»Das glaube ich nicht«, flüsterte sie dann.
»Das heißt, Sie wussten nichts davon?«
Sie schüttelte nur stumm den Kopf.
»Ich benötige noch Proben der angesprochenen Nahrungsmittel.«
Markus warf seiner Mutter einen prüfenden Blick zu und stand dann langsam auf.
»Kommen Sie mit in die Küche. Ich gebe Ihnen, was Sie brauchen.«
Als sie das Haus betraten, drehte sich der Sohn des Opfers plötzlich zu Nachtigall um.
»Meine Mutter hat davon nichts gewusst. Sie hätte es mir sonst erzählt. Seit Opa und Paul aus dem Haus sind, bin ich ihr einziger Vertrauter. So eine schockierende Neuigkeit hätte sie niemals für sich behalten können – das hätte sie mit mir teilen müssen.«
»Es ist nicht einfach, sich in die Rolle der betrogenen Ehefrau zu fügen. Ich könnte mir vorstellen, sie empfand eine zu große Scham, um sich mit Ihnen darüber zu unterhalten.«
»Nein, ausgeschlossen. Sie hätte eine Schulter zum Anlehnen gebraucht und zurzeit steht nur meine zur Verfügung.«
In der Küche öffnete Markus mehrere Hängeschränke, bis er das Gesuchte fand.
»Hier ist noch ein Rest der Chips und dort ist diese seltsame Marmelade, die er so mochte.«
»Das ist keine Marmelade – das ist Rübensirup. Eine Tante von mir schwört auf seine gesundheitsfördernden Kräfte«, plötzlich kamen ihm diese Worte unpassend vor und er räusperte sich. »Hat Ihr Vater Ihnen gegenüber erwähnt, dass er Drohbriefe bekommen hat?«
»Hat er denn auch welche bekommen?«
»Wieso auch?«
»Ich habe auch welche bekommen!«
23
Auf dem Rückweg ins Büro wurde Nachtigall in Kiekebusch von der heruntergelassenen Schranke gestoppt. Er beschloss, die Zeit zu nutzen, und wählte Connys Nummer. Mailbox. Gut, beschloss er, dann würde er ihr eben eine Nachricht hinterlassen. Er wählte seine Worte mit Bedacht, legte Sehnsucht und Liebe in den Tonfall. Er hoffte, sie würde die Nachricht abhören und nicht gleich zornig löschen.
Danach probierte er es bei Jule. Doch es war wie verhext, seine Tochter meldete sich auch nicht. Geduldig sprach er eine Bitte um Rückruf auf die Mailbox, machte es dringend.
Der Regionalexpress nach Görlitz brauste über die Gleise.
Seine Gedanken kehrten wieder zu seinem aktuellen Mordfall zurück. Alle drei, Vater und Söhne, waren Opfer eines anonymen Briefschreibers geworden. Das Opfer hatte einen Brief mit dem Logo der Mind Watchers bekommen, die beiden anderen Drohbriefe waren auf rot-weiß gestreiftem Papier gedruckt. Weder Paul noch Markus Mehring verdächtigten den eigenen Vater, der dieses Papier besessen hatte – zumindest hatte keiner von ihnen solch einen Verdacht ausgesprochen. Aber es mochte viele Menschen geben, die dieses Papier benutzten. Er warf dem Brief, den er von Markus Mehring bekommen hatte, einen finsteren Blick zu. Du bist es nicht wert, am Leben zu bleiben! So was wie du gehört vom Erdboden getilgt. Und genau das werde ich tun!
Der Text war eigenartig gestelzt. Vom Erdboden getilgt – eine eher ungewöhnliche Formulierung. Es fehlte auch völlig der Hinweis auf den tatsächlichen Hintergrund für die Mordplanung. Du bist es nicht wert, am Leben zu bleiben, war sehr allgemein formuliert und ließ viele Optionen offen – warum war der Droher nicht konkreter geworden? Hatte er Angst, eine Spur zu legen?
»Er hätte ja nicht schreiben müssen, weil du meine Tochter geschwängert und dann nicht geheiratet hast«, flüsterte Nachtigall und startete den Motor, als er die stämmige Frau erkannte, die nun die Schranke wieder hochdrehen würde.
Paul hatte nur den Brief behalten, den er unter der Drossel gefunden hatte, mit der man seine Katze getötet hatte, auch Markus hatte nur den einen Brief aufgehoben, die anderen angeblich im Aktenvernichter verschwinden lassen. Auf die Idee den Briefumschlag aufzuheben war keiner der drei
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