Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
um ihn kämpfen.«
»Er hatte kein einfaches Leben. Oft darüber gesprochen hat er nicht – aber manchmal konnte er seine Traurigkeit nicht verbergen. Ich glaube, er macht sich große Sorgen um seine Enkel. Sein Sohn, sagte er immer, sein Sohn sei in seinem Alter nun eh verloren, da könne man nichts mehr machen. Aber seine Enkel! Paul zum Beispiel, der diese Mind Watchers gegründet hat. Er be-obachtet ihn genau, verfolgt, inwieweit er sein Studium ernst nimmt und wirklich zu einem Abschluss bringen will und wie er mit dieser seltsamen Gruppierung umgeht. Er war sogar am Montag bei der Demonstration, nur gucken versteht sich – und er war stolz auf Paul. Er erzählte mir, der Junge habe souverän reagiert und es nicht zu einer sinnlosen Eskalation kommen lassen.«
Sie seufzte wieder.
»Und sorgt er sich auch um den anderen Enkel? Markus?«
»Oh ja. Er erzählte mir einmal, sein Sohn versuche, Markus seinen Freunden zu entfremden, und er sah darin eine große Gefahr. Wilhelm war manchmal direkt deprimiert. Dass Hiltrud und Markus jetzt allein da draußen wohnen, sei ganz schlecht, sagte er dann und meinte, soweit hätte es nie kommen dürfen.«
»Und warum?«
»Das weiß ich nicht genau. Mit seinem Sohn stimmte wohl irgendetwas nicht. Jedenfalls war er in Sorge.«
»Dann muss es ihn ziemlich überrascht haben zu hören, sein Sohn sei ermordet worden, oder?«
»Nein. Ich hatte eher den Eindruck, es sei eine mögliche Option.«
»Wie soll ich das verstehen?«, fragte Nachtigall überrascht.
»Er meinte einmal zu mir, sein Sohn werde den Bogen noch überspannen und dann für alles bezahlen müssen. Das war eine eigenartige Formulierung und ich dachte bei mir, er glaubt, jemand könnte seinen Sohn ermorden. Vielleicht lese ich zu viele Krimis – aber Fakt ist, dass Hans-Jürgen erstochen wurde.«
»Hält Wilhelm Mehring ein Mitglied der Familie für den Täter?«
»So deutlich hat er das nie formuliert. Ich glaube, er kann sich bei keinem wirklich vorstellen, dass er einen Mord begeht. Aber unterschwellig muss der Verdacht in ihm aufgekommen sein. Besonders, nachdem Sie ihm von dem Rattengift erzählt haben. Er war ziemlich verstört und rief mich an.«
»Halten Sie es für denkbar, dass Wilhelm Mehring sich aus freien Stücken vor die Bahn geworfen hat?«
»Peter? Ich glaube, wir haben gefunden, was wir gesucht haben.« Skorubski reichte Peter Nachtigall ein in eine Klarsichtfolie geschobenes Papier.
Ihr werdet alle bezahlen, die ganze Mehringsche Brut! Es wird mir eine Freude sein, einen nach dem anderen vom Erdboden verschwinden zu lassen! Es ist ein Akt, der dazu dient, die Welt von einem Übel ungeheuren Ausmaßes zu befreien! , stand in drei Zentimeter großen Buchstaben darauf. Im Briefkopf fand sich Wilhelm Mehrings Adresse und ein Datum, das wohl den Tag bezeichnen sollte, an dem das Schreiben verfasst wurde. Eine Unterschrift fehlte.
»Vor drei Wochen hat er den schon bekommen und mir kein Wort davon gesagt«, murmelte Traudl Hoffmann enttäuscht und plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen, »so ein Idiot! Hätte er sich mir doch anvertraut! Dieser blöde männliche Stolz!« Deutlich mischte sich nun Ärger in ihren Ton.
»Frau Hoffmann – Wilhelm Mehring war von seiner Familie enttäuscht, er wurde von seinem eigenen Sohn aus dem Haus geworfen, in dem schon seine Eltern gewohnt hatten und in dem er wahrscheinlich auch zur Welt gekommen ist, er bekam Morddrohungen – halten Sie es für möglich, dass er das alles satt hatte und sich in selbstmörderischer Absicht vor die Straßenbahn geworfen hat?«
Frau Hoffmann sah den Hauptkommissar konsterniert an.
»Nein, natürlich nicht! Wilhelm ist ein Kämpfer – Selbstmord ist feige. Und wenn, dann hätte er sicher eine andere Methode gewählt, eine todsichere sozusagen. Abgesehen davon wollten wir nächsten Monat heiraten.«
Nun war es an Nachtigall, ein verblüfftes Gesicht zu machen.
»Davon wusste niemand in der Familie? Mir gegenüber hat es jedenfalls keiner erwähnt.«
»Na, wenn es alle gewusst hätten, dann wäre es ja auch keine Überraschung mehr gewesen, oder?«, fragte sie spitz zurück.
33
Die Spremberger Straße war um diese Zeit beinahe menschenleer. Die Sonne brannte und hatte die Innenstadt regelrecht aufgeheizt, die Luft flimmerte über der Straße – wer konnte, saß jetzt in einem der Restaurants im Schatten oder genoss das Leben an einem der zahlreichen Badeseen in und um die Stadt.
Sie parkten hinter der
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