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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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hemmungslos, Paul und Markus hatten bei den Worten des Vaters wütend die Fäuste geballt. Herr Will erweckte den Eindruck, von dieser Situation überrascht worden zu sein. Unbehaglich schob er immer wieder seinen Zeigefinger unter den Hemdkragen, als versuche er ihn zu lockern. Verlegen hatte er seinen Blick auf den Schoß gesenkt und hob ihn auch nicht, als Markus wütend mit der Hand auf den Tisch schlug. »Nur gut, dass Großvater das hier nicht hören und sehen muss! Wie konnte er?!«
    Der Notar beendete die Wiedergabe und sah betreten in die Gesichter der Anwesenden.
    »Ich möchte betonen, wir haben an dieser Verfügung nicht mitgearbeitet. Es war alles der ausdrückliche Wunsch und Wille des Verstorbenen.«
    Dann ließ er die DVD weiterlaufen.
    »Die Spedition wird verkauft, einschließlich aller Fahrzeuge und der Kundenkartei. Nicht einer von euch ist in der Lage, sie zu führen. Paul ist zu jenseitig und Markus zu unmotiviert, um etwas auf die Beine zu stellen. Vater werde ich keine Chance geben, aller Welt zu beweisen, dass er selbst als seniler Greis die Firma besser leiten kann als ich – und Hiltrud? Na ja. Hiltrud soll nach so vielen Jahren des Nichtstuns mit der Wirklichkeit in Kontakt kommen und arbeiten gehen, für sich selber sorgen. Vielleicht kann sie irgendeinen Putzjob annehmen. Zu mehr hat sie ohnehin nie getaugt. Wenn sie untergeht, ist das eben Schicksal. Hasta la vista! Bestimmt hat inzwischen auch schon jemand von meinen kleinen nebenehelichen Eskapaden erzählt – so nun noch einmal für dich, Hiltrud: Mit jeder war es toller als mit dir! Und ich hab’s immer genossen! Ein echter Mann kann mit dir kein erfülltes Sexleben haben!«
    Ein Standbild zeigte ein fies grinsendes Gesicht, umrahmt von steif abstehenden, schwarzen Haaren und einer mit Gel fixierten Locke. Nachtigall konnte sich nun erst recht nicht vorstellen, dieser Mann sei der Frauenheld gewesen, als den Rolf Bartel ihn hinzustellen versucht hatte. Er hatte sie entweder bewusst belogen oder es wirklich nicht gewusst. Nachtigall tippte auf Ersteres.
    Im Raum war es totenstill. Nur das hemmungslose Weinen Hiltrud Mehrings war zu hören. Der Notar gab den Anwesenden einen Moment Zeit, das Gehörte zu verarbeiten, dann ergriff er wieder das Wort.
    »Das Haus wird verkauft – ein Makler ist schon beauftragt. Laut testamentarischer Verfügung müssen Sie, Frau Mehring, und Sie, Herr Markus Mehring, das Gebäude binnen einer Woche räumen. Andere Vereinbarungen darf Herr Will nicht treffen, sonst verliert er den Anspruch am Verkaufserlös. Ihr Vater hat beide Söhne vom Pflichtteil ausschließen wollen, dann aber davon Abstand genommen. Auch Sie, Frau Mehring, erhalten einen Pflichtteil.«
    »Wo soll ich denn hin? Wovon soll ich leben?«, weinte die Witwe verzweifelt.
    »Wie heißt der Makler, der sich um den Verkauf kümmert?«, wollte Herr Will wissen.
    »Kann man dieses Testament nicht anfechten?«, fragte Paul, der vergeblich versuchte, seine Mutter zu beruhigen.
    »Dieses Schwein!«, übertönte die sich überschlagende Stimme von Markus alle anderen.
    Dr. Fürst erhob sich und versuchte, Ruhe in die Versammlung zu bringen.
    »Natürlich können Sie versuchen, diese Verfügungen anzufechten. Damit könnten Sie auch Erfolg haben. Er kann zum Beispiel den Pflichtteil nicht davon abhängig machen, dass Sie sich von Ihrer Freundin trennen, und er kann auch von unserer Kanzlei nicht erwarten, dass sie so etwas überprüft oder kontrolliert. Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal.«
    Er trat an die Verbindungstür und bat die Sekretärin um ein Glas Wasser für die Witwe.
    »Grundsätzlich wird aber eine Entscheidung nicht binnen einer Woche gefällt sein können. Es wäre zu klären, ob ein Widerspruch hier eine aufschiebende Wirkung haben kann. Dennoch rate ich Ihnen, das Haus so schnell wie möglich zu räumen. Gehen Sie davon aus, dass, abgesehen vom zeitlichen Rahmen, die anderen Verfügungen über den Verkauf des Hauses und der Spedition grundsätzlich rechtens sind. Alles Weitere wird sich finden.«
    Die Sekretärin brachte das Glas auf einem Tablett und Frau Mehrings Zähne schlugen dagegen, als sie versuchte es mit zitternden Händen an die Lippen zu setzen.
    »Hören Sie, es tut mir leid«, begann Herr Will mit angenehm sonorer Stimme. »Es ist wahr: Ich habe von all dem nichts gewusst! Mein Großvater war einer der Gründer der ›drei Rotkäppchen‹. Lange gab es keine Aktivitäten des Vereins mehr, doch nach der Wende

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