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Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)

Titel: Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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Choreografen auffallen und kriegst die Chance, richtig berühmt zu werden. Vielleicht entdeckt dich D! Soost!«
    »Glaubst du das?«
    »Ja, natürlich. Diese Sendung wird deutschlandweit ausgestrahlt. Deutschlandweit! Und all die Millionen sitzen vor dem Fernseher und sehen, wie perfekt du tanzt. Alle.«
    Sie brauchte noch ein Taschentuch und begann wieder die umständliche Prozedur des Naseputzens.
    »Aber die meisten Leute, die die Sendung sehen, haben doch nicht mehr Ahnung vom Tanzen als ich.«
    »Das ist egal. Die Bewegung muss so tadellos sein, dass jeder, auch der Laie, erkennt, wie außergewöhnlich begabt du bist. Außerdem sind bei den Aufnahmen Profis anwesend – und bei der Aufzeichnung werden die Choreografen der großen Vereine auf dich aufmerksam – wenn du ganz besonders gut bist. Und natürlich wissen die, dass die wirklich talentierten Tänzer in der ersten Reihe tanzen. Ist logisch!«
    »Ist das für dich das erste Mal?«
    »Ja. Im letzten Jahr war ich nicht gut genug.«
    »Hat wer entschieden?«, wollte Nachtigall wissen.
    »Hans-Jürgen. Er hat gesagt, meinem Tanz fehle es an Ausdruckskraft, die Performance sei nicht erotisch genug, nicht weiblich genug.«
    »Und diesmal war er begeistert.«
    Peter Nachtigall überlegte, wie der noch völlig unfrauliche Körper des schlanken Mädchens erotisch oder weiblich wirken sollte – für ihn sah sie nur kindlich aus – von fraulichen Formen und irgendeiner verführerischen Ausstrahlung war sie Lichtjahre entfernt.
    »Wir haben ja auch das ganze letzte Jahr an meiner teuflischen Ausstrahlung gearbeitet«, versicherte Rosemarie ernst.
    »Bei den Proben?«
    »Nicht nur. Die Probenzeit ist zu kurz gewesen und ich hatte so viel zu lernen. Wir haben uns auch außerhalb der offiziellen Proben getroffen und er hat mir gezeigt, was er vermisst.«
    Das war eine seltsame Formulierung, fand Nachtigall und beschloss weiter zu bohren.
    »Was er vermisst?«
    »Ja, Freude am eigenen Körper zu haben – Spannung zwischen den Geschlechtern zu signalisieren, Begehren zu zeigen! Wärme und Verlangen!«, die Kleine sprang plötzlich von der Bank auf und rannte hinter einen Busch in der Nähe. Der Hauptkommissar konnte sie würgen hören.
    Kurze Zeit später kam sie mit geröteten Augen wieder zu ihm zurück. Der Geruch von Erbrochenem umwehte sie wie ein Trauerflor. Er wusste Bescheid.
    »Papa vergräbt das nachher. Das muss er in letzter Zeit häufiger tun. Er sagt dann immer ›Papas hysterische Kleine‹ zu mir.«
    Sie setzte sich wieder neben ihn auf die Bank und sah schweigend einem Schmetterling zu, der scheinbar schwerelos durch die Luft schwebte. Peter Nachtigall drängte sie nicht. Sie würde ihm von allein alles erzählen, wenn sie den Augenblick für gekommen hielt.
    »Er hat mich gezwungen, sein Ding zu streicheln und zu küssen«, sagte sie plötzlich mit fester Stimme, als habe sie beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen und sich das Schreckliche, Widerwärtige von der Seele zu reden. »Es kam so weißes Zeug. Ich musste immer kotzen davon. Jetzt muss ich schon kotzen, wenn ich nur daran denke. Das Essen fällt mir schwer, weil ich da ja auch etwas in den Mund stecken muss – es ist alles für mich so unglaublich schwierig geworden. Aber er hat gesagt, das sei wichtig, damit ich erkennen könne, was er meint. Fraulicher wirke. Denn alle Frauen machen das mit Männern, das sei völlig normal – und dann würde ich in der ersten Reihe tanzen dürfen.«
    »Meinst du, das ist in allen Vereinen so? Du hättest doch einfach bei einem anderen Karnevalsverein tanzen können.«
    »Das war denke ich nur Hans-Jürgens Trainingsmethode. In anderen Vereinen gibt es ein echtes Vortanzen und danach wird entschieden, wer auf welcher Position tanzt.«
    »Hast du mit deinen Eltern darüber gesprochen?«
    »Ja.«
    »Und, was haben sie unternommen?«
    »Nichts. Sie haben mich als Lügnerin bezeichnet und ins Bett geschickt. Sie fanden, der Hans-Jürgen sei so sympathisch und könne gut mit Kindern umgehen. Er sei so ein begnadeter Tanztrainer. Deshalb durfte ich auch nicht den Verein wechseln. Ich bin unglaublich froh, dass er tot ist!«, brach es aus ihr hervor.
    Und Nachtigall konnte Rosemarie gut verstehen.
    Wie bei ihr war es leider in vielen Familien. Der Täter schlich sich durch sein Verhalten in die Herzen der Menschen. Es war ganz typisch, dass gerade die sich an kleinen Kindern vergriffen, die von den Eltern gelobt und von den Vorgesetzten geschätzt wurden, weil

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