Narrenspiel: Peter Nachtigalls dritter Fall (German Edition)
einmal die Tür geschlossen!«
»Ja, stimmt. Das war ganz schön übel. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wo das war.«
»Als Jule in dem Alter war, wo sie in Sportvereine und Ähnliches eintreten wollte, habe ich mich informiert, weil ich natürlich auch Angst davor hatte, sie könnte in die Fänge eines solchen Typen geraten. Man rät dir darauf zu achten, ob der Trainer nur eingeschlechtliche Gruppen betreut von Kindern desselben Alters, du sollst wissen, ob er verheiratet ist – möglichst glücklich – ob er seine Freizeit in der Regel mit Kindern verbringt, selbst Kinder hat und in dieser Hinsicht bot Mehring ja wirklich eine perfekte Fassade, schließlich war er seit vielen Jahren verheiratet und hatte selbst zwei Söhne – und da das alles eben keine Garantie ist, rät man dir, dein eigenes kleines Mädchen möglichst überallhin zu begleiten und während des Trainings anwesend zu sein. Das sei abschreckend. Das eigene Kind kann sich dann allerdings auch nicht entfalten, wenn Papi ständig dabei ist und aufpasst. Wie du es machst, ist es verkehrt.«
»Ja – das ist aber in jedem Alter der Nachkommen so, nicht nur, wenn sie klein sind!«, gab Skorubski zu bedenken.
Nachtigall überlegte, wie er die verschiedenen Facetten des Hans-Jürgen Mehring zu einem Gesamtbild zusammenfügen konnte.
»Wir haben gehört, er sei ein Sadist, nun wissen wir, dass er auch ein Päderast war und ein harter Fremdgeher. Eine ziemlich explosive Mischung«, meinte er und fügte dann bitter hinzu, »schade, dass Mehring für all das nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden kann.«
»Jemand hat ihn zur Rechenschaft gezogen – irgendeiner wollte nicht mehr länger tatenlos zusehen.«
32
Traudl Hoffmann wartete schon vor dem Haus, in dem Wilhelm Mehrings Wohnung lag. Sie war eine sportlich wirkende Frau um die 70. Ihre weißen Haare trug sie modisch kurz geschnitten, eine Brille mit auffallendem schwarz-weißen Gestell sowie Jeans und Polobluse verliehen ihrer schlanken Erscheinung eine jugendliche Ausstrahlung.
»Guten Tag! Sie müssen Herr Nachtigall sein!«, begrüßte sie den Hauptkommissar herzlich und schloss die Tür zu Wilhelm Mehrings Wohnung auf.
»Ich habe vorhin im Krankenhaus angerufen, aber sein Zustand ist wohl unverändert! Ist das nicht furchtbar? Wer hat schon etwas davon, wenn er einen alten Herrn vor eine Straßenbahn stößt!«, empörte sie sich und sah Nachtigall dabei an, als erwarte sie von ihm eine schlüssige Antwort darauf.
»Ja - ich verstehe Ihre Wut. Aber wir können uns auch noch keinen Reim darauf machen. Hat er Ihnen gegenüber vielleicht erwähnt, dass er sich bedroht fühlte?«
Sie warf einen flüchtigen Blick auf den Durchsuchungsbeschluss und ließ dann die Polizei eintreten.
»Nein – er erzählte vom Mord an seinem einzigen Sohn, er selbst fühlte sich nicht bedroht. Aber das muss nicht heißen, dass es nicht doch so war – vielleicht hielt er es für unmännlich, Angst zu haben. Er ist in diesem Punkt manchmal sehr altmodisch.«
»Sollen wir den Laptop mitnehmen?«, fragte ein junger Kollege und Albrecht Skorubski wies ihn an, nicht nur den Computer, sondern auch alle Datenträger einzupacken. Schubladen wurden geöffnet, Schränke durchsucht. Die Beamten verstauten einige CD-Roms in mitgebrachten Pappkartons. Befremdet sah Frau Hoffmann ihnen einen Moment dabei zu.
»Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«, fragte sie dann und führte Nachtigall in eine helle, freundliche Küche, in der alles so sauber war, als sei sie nie benutzt worden.
»Ja – Wilhelm ist sehr pingelig, was Sauberkeit und Hygiene angeht. Überhaupt hat er seinen Alltag straff organisiert: Kampf der Lethargie, nennt er das. Dolce far niente ist für ihn undenkbar. Morgens um fünf klingelt sein Wecker und er steht auf, duscht, frühstückt, putzt – und ab an die Arbeit. Stundenlang sitzt er an seinem Laptop.«
»Kocht er für sich?«
»Aber ja – und er kann es wirklich gut. Nur wenn er ohnehin in der Stadt zu tun hat, isst er in einem Restaurant. Und für den Nachmittag plant er immer einen längeren Spaziergang. Bei jedem Wetter. Der Abend gehört dann wieder der Arbeit. Es sei denn, wir sind fürs Theater oder einen Konzertbesuch verabredet.«
Sie stellte Tassen, Milch und Zucker auf den Tisch und goss Kaffee ein.
»Ich hoffe, er wird wieder ganz der Alte! Er ist stark – er wird es schaffen!«, setzte sie dann trotzig hinzu.
»Das wünschen sich sicher alle. Die Ärzte werden
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